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Die Mär vom Männerschnupfen: Doch kein Mythos?

Innsbrucker Immunologin weist auf hormonelle Unterschiede in der Immunabwehr hin.
Innsbrucker Immunologin weist auf hormonelle Unterschiede in der Immunabwehr hin. ©Symbolbild/Bilderbox
Männer sind in ihrer Immunabwehr Frauen gegenüber benachteiligt: Mit dieser Aussage hat eine Innsbrucker Forscherin mitten ins Zentrum des Klischees vom "Männerschnupfen" getroffen. Hormonell bedingte Unterschiede des männlichen und weiblichen Immunsystems gibt es tatsächlich - eine Entschuldigung für häufigeres Kranksein ist das jedoch noch lange nicht.

Am Internationalen Männertag (19. November 2017) steht unter anderem die Gesundheit von Männern im Fokus. Um diese rankt sich ein Mythos seit Jahrzehnten hartnäckig: Wenn Männer krank sind, leiden sie besonders intensiv, viel stärker als das angebliche “schwache” Geschlecht. Dass da was dran ist, wissen viele Frauen aus erster Hand – die Pflege ihrer verschnupften Partner gleicht nicht selten einer Operation am offenen Herzen bei vollem Bewusstsein des Patienten. Eine biologische Erklärung, dass Frauen sich zu Unrecht über die niedrige Schmerzgrenze der Männerwelt lustig macht, liefert der unter den Geschlechtern verschiedene Hormonhaushalt, erklärte die Innsbrucker Forscherin Beatrix Grubeck-Loebenstein nun im Gespräch mit der APA.

Echte Kerle trifft es besonders hart

Die Immunologin untersucht am Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung der Universität Innsbruck altersbedingte Veränderungen im Immunsystem. Während das weibliche Geschlechtshormon Östrogen die zur Bekämpfung von Krankheitserregern notwendigen Immunzellen stimuliere, wirke sich das männliche hormonelle Pendant Testosteron genau gegenteilig aus und unterdrücke die Funktion von Abwehrzellen. Echte Kerle träfe es indes besonders stark: je höher der Testosteronspiegel, desto stärker die unterdrückende Wirkung – und umso stärker das Leid? “Nicht unbedingt”, so Grubeck-Loebenstein. Unterschiede im Leidensdruck – also dem subjektiven Erleben eines Leides – seien hormonell nicht zwangsläufig zu erklären: “Darauf können allemal Psychologen eine Antwort geben.” Die unterdrückende Wirkung der männlichen Sexualhormone auf die Immunabwehr während Infektionen und nach Impfungen sei jedoch tatsächlich wissenschaftlich belegt.

“Da habt ihr’s”, mag es nun so manchem Mann auf der Zunge brennen – wie viel Spott, wie viel Häme und vor allem wie viele quälende Erkältungen mussten sie doch über sich ergehen lassen, bevor ihnen nun endlich die Wissenschaft zu Hilfe eilt. Eine kleine “Genugtuung”: Mit den Wechseljahren verlieren auch Frauen ihre hormonellen Privilegien und bei Autoimmunerkrankungen dreht sich der Spieß gar um.

“Wir sprechen von Tendenzen”

Mögliche Ursachen für die verschiedene Wirkungsweise der Geschlechtshormone auf das Immunsystem sind laut Grubeck-Loebenstein bisher noch nicht ausreichend erforscht. Sie vermute, dass unterschiedliche Hormoneffekte auf Immunzellen auf die Aktivitäten der jeweiligen Steroidhormon-Rezeptoren zurückzuführen sind. “Ein komplettes Bild über die Wirkungsmechanismen von Geschlechtshormonen auf das Immunsystem hat die Forschung aber bisher noch nicht”, so die Immunologin. In dem laut Grubeck-Loebenstein von wissenschaftlichem Budget wenig gesegneten Österreich sind die notwendigen Longitudinalstudien jedoch nur schwer umsetzbar – auch wenn die Politik eigentlich ein Interesse an der Erforschung geschlechtsspezifischer Immununterschiede haben sollte, um etwa gezieltere Impfempfehlungen geben zu können.

Wofür es laut Grubeck-Loebenstein ebenfalls noch keine zwingenden Beweise gibt, ist eine allein durch den Hormonunterschied bedingte höhere Anfälligkeit der Männer für Krankheiten: “Hier sprechen wir nur von Tendenzen.” Denn während Männer bei der einen Erkrankung stärker betroffen sind – etwa bei saisonaler Influenza oder Lungenentzündung – weisen Frauen dafür in anderen Bereichen erhöhte Anfälligkeit auf, zum Beispiel im Fall von Herpes.

Auch Lebensstil hat Einfluss

Vielmehr würde zu den biologischen Ursachen von Erkrankungen ein wesentlicher Aspekt hinzukommen: die Umweltfaktoren. Es sei eine Tatsache, dass Frauen gesundheitsbewusster leben, etwa bei Ernährung, Impfung und Vorsorge disziplinierter sind. “Ihren Lebensstil können Männer selber beeinflussen”, betont Grubeck-Loebenstein. Und der habe einen stärkeren Einfluss auf den Gesundheitszustand. Noch immer lebten Männer jedoch risikoreicher und weniger körperbewusst, rauchten mehr und konsumierten mehr Alkohol. Ganz auf den biologischen Wettbewerbsnachteil kann sich Mann also nicht berufen, wenn es mal wieder irgendwo zwickt. Für Männer wie Frauen gelte es übrigens schon ab der Lebensmitte und nicht erst im Alter, besonders auf die Gesundheit zu achten, da die Immunabwehr und die Organfunktionen dann bereits abnehmen. Die Mär vom Männerschnupfen: Sie ist vielleicht doch keine.

(APA)

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