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Die im Wiener Wahlkampf (leider) ignorierten Probleme

Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger zum Thema Wahlkampf in Wien.
Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger zum Thema Wahlkampf in Wien. ©APA
Gastkommentar von Andreas Unterberger: Es ist traurig, dass der Wiener Wahlkampf total von der Asylfrage überschattet wird. Dieses Thema ist zwar sicher für alle Wiener derzeit emotional das weitaus bewegendste – für naive Gutmenschen ebenso wie für realistische Schlechtmenschen –, aber entscheiden und beeinflussen kann da die Wiener Kommunalpolitik relativ wenig.

Denn die Immigrantenflut ist nicht durch Versagen des Rathauses ausgelöst worden, sondern durch eine Reihe nationaler und vor allem internationaler Faktoren. Aber durch die Dominanz dieses Themas bleiben fast alle Wiener Themen selbst völlig außerhalb jeder Aufmerksamkeit. Das ist sehr schade.

Das sind neuerdings etwa die unglaublichen Anzeigenverträge der Neos: Diese haben mit Zeitungen Verträge abgeschlossen, denen zufolge sie für ihre Werbesujets nur dann den vollen Preis bezahlen, wenn sie in den Gemeinderat einziehen; genau solche Verträge haben die Neos auch in Oberösterreich abgeschlossen. Das macht fassungslos. So plump hat noch keine Partei agiert.

Denn damit versuchen die Neos, bei den Medien Eigeninteresse an ihrem Wahlerfolg zu schaffen. Scheitern die Neos beim Einzug, würden die Medien deutlich weniger Geld bekommen. Das kann finanzschwache Medien durchaus motivieren. Und finanzstarke Medien gibt es eh kaum mehr.

Noch ein zweiter Aspekt ist an diesen Deals so abstoßend: Bei einem Einzug in den Gemeinderat kommen die Neos ja an üppige Steuergelder heran, mit denen sie die Inserate dann bezahlen können. Das ist vor allem deshalb so ärgerlich, weil ausgerechnet die Neos als einen der obersten Fixpunkte die Forderung nach einer radikalen Kürzung der Parteifinanzierung aus Steuergeld haben. Und zweiter Fixpunkt ihrer Agitation war bis zum Bekanntwerden dieser Deals der an sich ja durchaus berechtigte Vorwurf an die Rathaus-Machthaber, Medien-Bestechung aus Steuergeldern im Mega-Ausmaß zu betreiben. Da ist es nur ein schwacher Milderungsgrund, dass die Untaten von Rot und Grün den Steuerzahler mehr als das Hundertfache von dem kosten, was die Neos da tricksen. Aber: Wenn sie schon als kleine Außenseiterpartei unsauber sind, wer soll dann glauben, dass sie dann später im Rathaus anders wären?

Verkehr: Kein Wahlkampfthema?

Besonders bedauerlich ist, dass auch der Themenbereich Verkehr in den Hintergrund gerückt ist.

Dabei sollte etwa das Vorgehen des Rathauses bei der Unterbrechung der Mariahilferstraße viel kritischer durchleuchtet werden. Dadurch sind ja viele angrenzenden Viertel und die Bezirke westlich der Mariahilferstraße sehr belastet worden. Etlichen Bewohnern der Mariahilferstraße selbst hat das freilich genützt.

Da sollten etwa die schikanösen Tempo-30-Zonen intensiver diskutiert werden, die das Rathaus sogar auf vielen dreispurigen Durchzugsstraßen verhängt hat.

Da sollten insbesondere auch die vielen Dummheiten rund um die Kurzparkzonen debattiert werden. Wie etwa deren uneinheitliche Geltungsdauer und Transparenz. Wie etwa die wie Schwammerln in jüngster Zeit aus dem Boden geschossenen Zonen für Bezirksbewohner, die noch dazu vielfach leer stehen, was die – oft notwendige – Benutzung des Autos für Einkaufsfahrten, Behördenwege oder Arztbesuche sehr erschwert. Wie etwa die schlimme Situation in den „schwarzen“ Bezirken 13, 18 und 19, wo die Bezirks-ÖVP die Einführung der Kurzparkregelung verhindert hat, was diese Bezirke flächendeckend in Gratis-Dauerparkplätze für Autos aus halb Mitteleuropa verwandelt hat.

Da sollten auch die immer provozierender werdenden Privilegien für die grüne Hauptzielgruppe, also die Radfahrer, diskutiert werden, deren als Folge dieser politischen Begünstigung immer aggressiver gewordenes Verhalten für Fußgänger, Kinder und Befahrer von Einbahnen zunehmend gefährlich geworden ist.

Wiener Wirtschaftskrise: Kein Wahlkampfthema?

Mindestens genauso wichtig wäre es, das wirtschaftsfeindliche Verhalten Wiens zu thematisieren. Dazu zählt die Tatsache, dass Behördenwege in keinem Bundesland so zeitraubend sind, dass Unternehmen in Wien deutlich höhere Abgaben zahlen müssen als anderswo, dass nicht nur die Rathauspolitiker, sondern auch viele Beamten Unternehmen und Arbeitgeber nur als zu schikanierende Ausbeuter behandeln. Von dem hohen Ausmaß der im Endergebnis ebenfalls extrem schädlichen Korruption in Wien ganz zu schweigen.

Folge dieser Anti-Wirtschaftspolitik ist die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in Wien bei weitem höher ist als im Rest Österreichs. Dass in der Stadt (mit 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung) 60 Prozent der österreichischen Mindestsicherungsbezieher leben. Das hängt nicht nur mit der zunehmenden Vertreibung von potenziellen Arbeitgebern aus Wien zusammen, sondern auch mit der Tatsache, dass die Wiener Behörden aus ideologischen Gründen den Ansprüchen solcher Dauerarbeitslosen gegenüber besonders freigiebig sind.

Gleichzeitig hat Wien schon vor der jüngsten Asylantenwelle keine Antwort auf die wachsende Wohnungsnot gefunden. Diese wird sich nun als Folge des gewaltigen Immigrantenzustroms noch gewaltig verschärfen. In Deutschland haben grüne Bürgermeister schon die Möglichkeit ernsthaft angesprochen, für die Asylanten privaten Wohnraum zu beschlagnahmen. Das lässt in Menschen mit einem Zweitwohnsitz oder besonders großen Wohnungen für Zeiten nach der Wahl die schlimmsten Sorgen aufkommen. Wenn auch bei uns schon manche Politiker mit der Flüchtlingswelle nach 1945 vergleichen, dann erinnert das geschichtsbewusste Menschen auch an die damaligen Zwangseinquartierungen.

Schuldenexplosion: Kein Wahlkampfthema?

In einem sachorientierten Wahlkampf sollte auch die Qualität der Rathaus-Verwaltung intensiv diskutiert werden. Dabei ist auf der Haben-Seite des Rathauses durchaus festzuhalten, dass Müllabfuhr, Wasserversorgung und Pflege der Grünanlagen funktionieren. Wie freilich auch in den allermeisten anderen europäischen Städten.

Auf der Negativseite steht jedoch die Tatsache, dass Wien sich das nicht mehr lange leisten wird können. Denn die Verdreifachung der Verschuldung während einer einzigen Legislaturperiode macht klar, dass die Stadtfinanzen am Ende sind, dass sie keinesfalls nachhaltig so funktionieren können. Daher wird es in der nächsten Periode sehr schmerzhafte Eingriffe geben, selbst wenn alle Bestechungsinserate gestrichen würden, und selbst wenn die Rathausbeamten künftig nur noch so viel verdienen sollten wie ihre Kollegen in allen anderen Bundesländern beziehungsweise im Bund. Was die SPÖ freilich beides ohnedies nicht tun will.

Stadtbild: Kein Wahlkampfthema?

Und insbesondere sollte in diesem Wahlkampf viel mehr über die Entwicklung des Wiener Stadtbildes diskutiert werden. Über unerträglich hässliche Dachbodenausbauten, über die Zerstörung der Steinhofgründe oder traditionsreicher Heurigenvororte wie Neustift. Und ganz besonders über die schlimmen Projekte, die schon in der Pipeline stecken, die nur bis zum Wahltag gestoppt worden sind, die aber dann nachher – wenn es die Mehrheitsverhältnisse erlauben – wie ein Sturzbach über Wien niedergehen werden. Von der Zerstörung des Casino Zögernitz in Döbling bis zum allerschlimmsten Projekt, dem schon fertig projektierten Hochhaus neben dem Konzerthaus.

Aber nichts davon wird wohl in den nächsten Wochen diskutiert werden. Häupl wird sich weiter zum Schützer aller Immigranten stilisieren; und Strache zum Schützer aller Eingeborenen gegen die Immigranten.

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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