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Die Dirty Campaigning-Affäre der SPÖ: Ein Überblick zur Tal Silberstein-Causa

Der Berater der Kanzlerpartei Tal Silberstein wurde in Israel festgenommen
Der Berater der Kanzlerpartei Tal Silberstein wurde in Israel festgenommen ©APA/AFP/JACK GUEZ
Wer blickt noch so ganz durch, wenn es um die Vorwürfe gegen die SPÖ und deren Ex-Berater Tal Silberstein geht? Was bisher über die Dirty Campaigning-Affäre bekannt ist, lesen Sie hier im Überblick zusammengefasst.
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Der Wahlkampf für die Nationalratswahl am 15. Oktober entwickelt sich in der Schlussphase immer mehr zu einer Schlammschlacht. Grund dafür sind Medienberichte, wonach die SPÖ beziehungsweise ihr ehemaliger Berater Tal Silberstein hinter rassistischen und antisemitischen Facebookseiten gegen Sebastian Kurz stehen soll. Was bisher über die Dirty Campaigning-Affäre bekannt ist.

Die Dirty Campaigning-Affäre der SPÖ auf einen Blick

Der Vorwurf

Der von der SPÖ engagierte Wahlkampfberater und Experte für Negativkampagnen, Tal Silberstein, soll in Abstimmung mit Vertretern des SPÖ-Wahlkampfbüros ein eigenes Dirty Campaigning-Team engagiert haben, um Facebookseiten gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz zu organisieren. Auf den Seiten wurde Kurz auf unterschiedliche Art in ein schlechtes Licht gerückt, um diesem potenzielle Wähler abspenstig zu machen.

Die Seiten

Konkret geht es um die teils rassistische und antisemitische Seite “Die Wahrheit über Sebastian Kurz” sowie den Auftritt “Wir für Sebastian Kurz”, der den Eindruck einer Fanseite für den ÖVP-Spitzenkandidaten vermitteln soll. Mit der ersten Seite sollte offenbar der Eindruck erzielt werden, dass die Freiheitlichen dahinter stehen, um FPÖ-affine Wähler von Kurz zurückzuholen. Die zweite Seite, die Kurz-Forderungen übertrieb, sollte mögliche liberale Kurz-Wähler von der Unwählbarkeit des ÖVP-Chefs überzeugen. Die beiden Facebookseiten wurden auch nach dem Rauswurf von Tal Silberstein aus der SPÖ, der Mitte August erfolgte, weiter betrieben und erst am Wochenende mit den Medienberichten über die Hintergründe vom Netz genommen. Unklar ist derzeit noch, ob die mit der Negativ-Kampagne gegen Kurz betraute Spezialeinheit Silbersteins auch für die Facebookseite “Die Wahrheit über Christian Kern” verantwortlich ist. Auf dieser Seite wurden Negativ-Infos über den Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern verbreitet. Diese Seite ging nahezu zeitgleich mit den Anti-Kurz-Seiten vom Netz.

Die Auftraggeber

SPÖ-Vorsitzender Christian Kern und Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler haben rund um den Jahreswechsel angesichts heraufdräuender Neuwahlen den israelischen Wahlkampfexperten Tal Silberstein als Berater engagiert. Silbersteins Hauptaufgabe war offiziell die Betreuung sogenannter Fokus-Gruppen sowie die Interpretation von Umfragen. Etwaige Dirty Campaigning-Aktivitäten Silbersteins bestritt man in der SPÖ. Eine Empfehlung für Silberstein soll es unter anderem vom früheren SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer gegeben haben, der vor der Nationalratswahl 2006 auf Silbersteins Negativ-Kampagnen-Expertise setzte und es damit immerhin schaffte, ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler abzulösen. Am 14. August löste die SPÖ den Vertrag mit Silberstein auf, weil dieser in Israel wegen Korruptions- und Geldwäschevorwürfen vorübergehend festgenommen worden war.

Während seiner Tätigkeit für die SPÖ engagierte Silberstein ein Team um den PR-Berater Peter Puller, das die Facebookseiten gegen Kurz produzieren sollte. Silberstein und Puller kannten sich aus dem Wien-Wahlkampf 2015, wo beide beratend für die NEOS tätig waren. Vor seiner Zeit bei den NEOS, die die Zusammenarbeit mit Puller inzwischen beendet haben, war der PR-Experte für die steirische ÖVP sowie als Pressesprecher für die ehemalige ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl tätig. Silberstein und Puller agierten in Abstimmung mit der SPÖ-Wahlkampfzentrale. Laut “Presse” waren nur sehr wenige SPÖ-Vertreter eingeweiht. Einer davon war Niedermühlbichlers Mitarbeiter Paul Pöchhacker, der als Bindeglied zwischen SPÖ und Silberstein agierte und nach dem Rauswurf Silbersteins auch dessen Agenden in Sachen Fokus-Gruppen und Umfragen übernahm. Laut “Standard” soll auch Niedermühlbichler informiert gewesen und dies auch intern ausgeplaudert haben. Der inzwischen zurückgetretene SPÖ-Manager bestritt am Wochenende freilich jegliche Kenntnis von den Vorfällen.

Die Finanzierung

“Follow the Money” bzw. “Folge dem Geld” lautet für gewöhnlich das Motto bei der Aufdeckung von Skandalen. Über die Finanzströme rund um die Dirty Campaigning-Affäre ist bisher nur wenig bekannt. Silberstein sollte für seine Beratungstätigkeiten von der SPÖ laut Vertrag ursprünglich rund 400.000 Euro erhalten. Etwa drei Viertel davon wurden bis zum Ausscheiden des Kampagnenexperten ausgezahlt. Laut “profil” betrug das Budget für die mit der Negativ-Kampagne gegen Kurz betraute Spezialeinheit rund 500.000 Euro. Die Tageszeitung “Österreich” berichtete, dass 200.000 Euro davon für Facebook-Werbung, 150.000 Euro für das Team und 150.000 Euro an Silberstein gezahlt wurden. “Österreich” und “Kurier” brachten am Montag auch der SPÖ nahe stehende Industrielle als mögliche Finanziers der Dirty Campaigning-Aktivitäten ins Spiel. In diesem Fall stünde laut Politikexperten auch der Vorwurf einer illegalen, nicht gemeldeten Parteispende im Raum. Der Holzindustrielle Gerald Schweighofer, der in Rumänien auf Silbersteins Beraterdienste setzt, wies am Montag jegliche Verwicklung zurück. Man habe mit der Finanzierung nichts zu tun und behalte sich rechtliche Schritte vor, falls dies behauptet werde, ließ sein Unternehmen mitteilen. Die SPÖ selbst bestreitet bisher jedenfalls weitere Zahlungsflüsse in der Causa, sowohl für die Zeit vor der Trennung von Silberstein als auch danach.

Die Verschwörungstheorie

Wenig bekannt ist bisher auch über die Hintergründe der Veröffentlichung der Vorwürfe. Den ganzen September über tauchten in den Medien Wahlkampfunterlagen Silbersteins auf. Berichte über Anti-Kurz-Videos der SPÖ, Stärke-Schwächen-Analysen und weitere pikante SPÖ-Interna. Nun folgten die Details über die Dirty Campaigning-Aktivitäten in sozialen Medien. Die SPÖ vermutete als Quelle des Informationslecks eine ehemalige Silberstein-Mitarbeiterin, deren Vertrag am 14. August ebenfalls gekündigt worden war und die danach damit gedroht haben soll, “die Sache auffliegen” zu lassen, wie der “Standard” berichtete. Die SPÖ vermutet, dass die ÖVP beziehungsweise der Volkspartei nahe stehende Berater hinter den Leaks um Silberstein stehen. Diese sollen die entsprechenden Dossiers von ehemaligen Silberstein-Mitarbeitern gekauft und an Medien weitergespielt haben. Auch Verschwörungstheorien, wonach die ÖVP, von langer Hand geplant, “Maulwürfe” im Silberstein-Team platziert haben könnte, kursieren in der SPÖ. In der ÖVP spricht man von absurden Vorwürfen und einer “Opfer-Täter-Umkehr”, die da von der SPÖ betrieben werde.

Die Folgen

Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler hat vorerst die politische Verantwortung innerhalb der SPÖ übernommen und ist am Samstag zurückgetreten. SPÖ-Chef Kern hat eine Task Force unter der Leitung des neuen SPÖ-Bundesgeschäftsführers Christoph Matznetter eingesetzt, die alle Vorwürfe prüfen soll. Der Wahlkampf der SPÖ liegt zwei Wochen vor der Wahl in Trümmern, die Wahlauseinandersetzung entwickelt sich immer mehr zur Schlammschlacht, über Inhalte und Programme wird derzeit kaum geredet. Politikexperten befürchten einen Schaden für Politik und Demokratie.

(apa/red)

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