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Diabetes & Co. sollen heilbar werden

Hoch angesetzte Hoffnungen: Krankheiten wie Typ-1-Diabetes ("juveniler Diabetes"), Psoriasis, Morbus Crohn oder chronische Polyarthritis sollen heilbar werden.

Sie könnten auch wirklich kurabel werden, wenn man die dahinter steckenden Autoimmun-Prozesse im Körper der Betroffenen erfolgreich stoppen könnte, erklärten am Freitagnachmittag Fachleute bei einem internationalen Symposium zum Thema „Autoimmunität“ in Wien.

Die Veranstaltung (bis 14. Jänner) wurde vom Wiener Immundermatologen Univ.-Prof. Dr. Georg Stingl (AKH) für die Österreichische Akademie der Wissenschaften und die Deutsche Akademie für Naturwissenschaften „Leopoldina“ organisiert. Als Redner wurden zahlreiche führende internationale Experten gewonnen.

Den größten Durchbruch auf diesem Gebiet gab es in den vergangenen Jahren in der Behandlung der chronischen Polyarthritis („Gelenksrheuma“). Dabei kommt es durch fehl geleitete immunologische Vorgänge zum Angriff von Immunzellen auf das körpereigene Gewebe in den betroffenen Gelenken. Die Gelenke werden vor allem durch entstehende chronisch entzündliche Vorgänge zerstört. Die Ursache dafür ist unbekannt, doch moderne Biotech-Medikamente greifen gezielt in die chronische Entzündung ein.

Univ.-Prof. Dr. Ravinder Maini (Imperial College London): „Mit monoklonalen Antikörpern gegen den Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha) können wir in Verbindung mit dem Zytostatikum Methotrexat bei 30 bis 40 Prozent der Patienten im frühen Krankheitsstadium die Krankheit rückgängig machen und bei Betroffenen mit bereits längerer Krankheitsgeschichte zu 70 Prozent weitere Schäden an Knorpeln und Knochen verhindern.“

Freilich, die Wissenschafter wollen, nicht nur erst die chronische Gelenksentzündung bei der chronischen Polyarthritis stoppen, sondern in der Folge lang andauernd den Status des Immunsystems der Patienten so verändern, dass es nicht mehr gegen das körpereigene Gewebe mobil macht. Die TNF-alpha-Blocker können zwar die Entzündung „abdrehen“, ändern aber nichts daran, dass weiterhin rabiate Immunzellen die Gelenke angreifen wollen.

Sir Ravinder: „Hier klingen Strategien Erfolg versprechend, bei denen man monoklonale Antikörper einsetzt, welche bestimmte an diesen Prozessen beteiligte Abwehrzellen – CD3-positive T-Zellen – blockieren. Das könnte man nach einer Anti-TNF-Behandlung verwenden, um die Immunreaktion längerfristig zu modulieren.“

Am Ursprung von Diabetes

Einen unerhörten Fortschritt würden auch Möglichkeiten zur Verhinderung oder zur Heilung von Typ-1-Diabetes („juveniler Diabetes“) bedeuten. Dabei kommt es im Kindesalter – auch hier ist der auslösende Faktor unbekannt – zum Angriff des Immunsystems auf die Insulin-produzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse, wodurch binnen kurzem und für immer die Produktion Zuckerstoffwechsel-Hormons zusammen bricht.

Seit Jahren ist bekannt, dass Kinder mit dem insulin-abhängigen Diabetes verschiedene Antikörper im Blut aufweisen, die auf eine solche Autoimmunreaktion hinweisen. Nun dürften Wissenschafter geklärt haben, gegen welches hauptsächliches Antigen diese falsche Abwehrreaktion gerichtet ist. Univ.-Prof. Dr. Harald von Boehmer (Harvard University/Boston) bei dem Symposium über Autoimmunität Freitagnachmittag in Wien: „Das Insulin selbst scheint das Haupt-Antigen zu sein, gegen das die Immunreaktion gerichtet ist.“ Dies konnten die Fachleute in Versuchen an transgenen Mäusen zeigen.

Die zukünftigen Strategien dürften nun in zwei Richtungen gehen: Die Wissenschafter versuchen Wege zu finden, wie man Typ-1-Diabetes durch die Verhinderung der Autoimmunreaktion verhindern oder – sollte die Krankheit schon bemerkbar geworden sein – zumindest noch zum Stillstand bringen könnte.

Im Labor zeigen zumindest beim zweiten Ansatz bestimmte Versuche positive Resultate. Boehmer: „Man kann T-Lymphozyten erzeugen, welche als ’regulatorische T-Zellen’ die aggressiven Immunzellen (CD8-Zellen, Anm.) ruhig stellen (Anergie, Anm.).“

Interessant ist, dass solche Unterdrücker-Zellen, welche man durch Einschleusen des Gens für Foxp3 – ein Protein – zu regulatorischen Immunzellen machte, mit den für die Bauchspeicheldrüse gefährlichen CD8-Zellen in der Kultur im Labor nicht einmal in direkten Kontakt treten müssen, um ihre Aggressivität zu verlieren. Wahrscheinlich stecken da von den Zellen produzierte Immunbotenstoffe dahinter.

Boehmer: „Damit könnte man eventuell mit solchen regulatorischen T-Zellen sogar noch dann eingreifen, wenn Kinder bereits Typ-1-Diabetes entwickelt haben.“ Bis dahin ist es auf jeden Fall noch ein weiter Weg.

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