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Deutscher Bahnstreik: Lokführer beginnen neunte Streikrunde - Dauer ungewiss

Ab Mittwoch wohl wieder vertrautes Bild in Deutschland: Es fährt kein Zug nach Irgendwo.
Ab Mittwoch wohl wieder vertrautes Bild in Deutschland: Es fährt kein Zug nach Irgendwo. ©APA
Berlin. Kunden der Deutschen Bahn müssen sich wieder auf Zugausfälle und volle Ersatzzüge einstellen. Trotz Vermittlungsversuchen bis zur letzten Minute haben die Lokführer am Dienstag bei der Deutschen Bahn ihre bereits neunte Streikrunde im laufenden Tarifkonflikt begonnen.

Betroffen war am Dienstag zunächst nur der Güterverkehr, die Personenzüge sollten laut Ankündigung der Gewerkschaft GDL ab Mittwochfrüh um 02.00 Uhr ebenfalls bestreikt werden. Das Ende des Arbeitskampfes hat die Gewerkschaft bewusst offen gelassen und will es erst 48 Stunden vorher bekannt geben. Die Streikwelle soll nach Ankündigungen der GDL über Pfingsten laufen.

Vertrauliche Verhandlungen

Mit einem neuen Ansatz haben Deutsche Bahn und GDL bei einem Geheimtreffen in Frankfurt die rechtlichen Bedingungen einer möglichen Schlichtung ausgelotet. Über Ergebnisse der andauernden Gespräche wurde bis zum Nachmittag nichts bekannt.

“Wie kommen wir in die Schlichtung? Welche Themen sind der Schlichtung zugänglich? Wir müssen die Diskussion um das Beschneiden von Grundrechten beenden, denn darum geht es nicht”, hatte Deutsche Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber im ARD-“Morgenmagazin” mögliche Themen genannt. Die GDL wollte den Fortgang der vertraulichen Unterredung nicht kommentieren.

Als unabhängige Instanz nahm der frühere Richter am Bundesarbeitsgericht, Klaus Bepler, teil. Als damaliger Vorsitzender des vierten BAG-Senats hat er die geänderte Rechtsprechung zur möglichen Tarifpluralität im Jahr 2010 entscheidend geprägt.

Ein Drittel der Züge fährt

Wegen des Streiks hat die Deutsche Bahn wieder Ersatzfahrpläne aufgestellt. Für den Fernverkehr am Mittwoch und Donnerstag waren sie am Nachmittag in den Auskunftssystemen abrufbar. “Wir bedauern besonders, dass es ausgerechnet am Pfingstwochenende dazu kommt”, sagte Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg in Berlin.

Wie bei den früheren Ausständen will die DB während des Streiks etwa ein Drittel der Fernzüge fahren. Bei den Regionalzügen erwartet die Bahn, dass je nach Region 15 bis 60 Prozent der üblichen Zahl unterwegs sein werden. Im Güterverkehr sollen etwa 70 Prozent der Züge rollen.

Logistikkonzepte auf dem Prüfstand

Homburg sprach von einem immensen wirtschaftlichen Schaden, der der Bahn und der Wirtschaft insgesamt entstehe. Großkunden hätten sich inzwischen für ihre Transporte “ein zweites Standbein aufgebaut”. “Das Vertrauen in das Gesamtsystem Bahn ist erschüttert”, sagte der Bahn-Manager.

Beispielsweise überdenkt die Chemie-Industrie ihre Logistikkonzepte. “Die Pläne der Branche, ihre Transporte verstärkt auf die Bahn zu verlagern, bekommen durch den erneuten und kurzfristig angekündigten Ausstand einen empfindlichen Dämpfer versetzt”, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes VCI, Utz Tilmann. Die Chemie gehört zusammen mit der Stahl- und Autoindustrie zu den wichtigsten Güterkunden der Deutschen Bahn.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung fürchtet Probleme bei Mineralöltransporten in entlegenere Gegenden, die nicht mit Schiff oder Pipelines erreicht werden können. Im kombinierten Verkehr Straße/Schiene müssten kurzfristig Sendungen auf die Straße verlagert werden, erklärte Verbandsvertreter Adolf Zobel.

Kosten von bis zu 100 Mio. Euro pro Streiktag

Der Industrieverband BDI warnte, ein Tag Streik könne die deutsche Volkswirtschaft mit bis zu 100 Millionen Euro belasten. Hohe Einbußen drohten vor allem Branchen, die bei ihren Zulieferungen von der Bahn abhängig seien, wie die Chemie- und Autoindustrie sowie die Stahlbranche.

Auch Wirtschaftsexperten warnen vor Schäden. Bei einem zehntägigen Streik könnten die Schäden rechnerisch bei 750 Millionen Euro liegen, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. “Das würde das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal rechnerisch um 0,1 Prozent drücken”, sagte Krämer. “Der Streik wäre also gesamtwirtschaftlich spürbar.”

GDL gibt sich verhandlungsbereit – außer in einem Punkt

GDL-Chef Claus Weselsky hat zu erkennen gegeben, dass die Gewerkschaft bei einer Schlichtung zu ihren Bedingungen den angekündigten Arbeitskampf innerhalb von 12 bis 24 Stunden beenden könnte. Die inhaltlichen Fragen des Tarifkonflikts seien nicht unlösbar, sagte Weselsky im ARD-“Morgenmagazin”.

Man sei aber nicht bereit, in einer Schlichtung über die Frage der Tarifeinheit zu verhandeln: “Es ist schlussendlich unser Grundrecht, für unsere Mitglieder einen Tarifvertrag abzuschließen – und zwar egal, ob der abweicht von einem anderen Tarifvertrag oder nicht.”

Gleichzeitig griff der Gewerkschafter die Bahn erneut scharf an. “Wir sehen ein Management, das versucht, das auszusitzen, das uns hinhält”, sagte er. Die Deutsche Bahn sei nicht einmal in der Lage gewesen, ein Schlichtungsabkommen mit der GDL zu verhandeln.

Vor den Verhandlungen am Dienstag hatten sich sowohl Bahn als auch Gewerkschaft prinzipiell verhandlungsbereit gezeigt. Knackpunkt bleibt aber die Frage des Einheitstarifes und ob das Management der Bahn nicht darauf baut, dass die Regierung in Berlin noch diese Woche ein neues Gesetz dazu verabschiedet. Mehr dazu: “Deutscher Bahnstreik: Bahn hofft auf Einigung in letzter Minute”

Sigmar Gabriel plädiert für Schlichtungslösung

Deutschlands Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat kurz vor dem angekündigten Beginn der neunten Streikrunde der Lokführer der Deutschen Bahn für eine Schlichtung im Tarifstreit plädiert. Gabriel sagte am Dienstag, er finde es “einfach bedauerlich”, dass bisher keine Schlichtung eingeleitet worden sei. Dieser Weg habe in Deutschland gute Tradition.

“Mein Rat, meine Bitte, meine Aufforderung geht immer dahin, dieses Instrument zu nutzen”, so Garbriel. Dass ein Streik wirtschaftliche Beeinträchtigungen mit sich bringe, sei aber kein grundsätzliches Argument dagegen. (en/APA/dpa)

Aktuelle Informationen darüber, welche Züge zwischen Österreich und Deutschland betroffen sind, finden sich auf der Internetseite der ÖBB.

In Deutschland hat die Deutsche Bahn kostenlose Servicenummern eingerichtet: innerhalb Deutschlands die kostenlose Nummer 08000 99 66 33, von außerhalb +49 180 6 99 66 33 (kostenpflichtig). Tagesaktuelle Reiseverbindungen lassen sich während des Streiks auch im Internet unter www.bahn.de abfragen.

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