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Deutsche Pkw-Maut: Breite Kritik gegen das geplante Gesetz

Breite Kritik gegen Pkw-Maut - Österreich droht weiter mit Klagen
Breite Kritik gegen Pkw-Maut - Österreich droht weiter mit Klagen ©DPA
Der lang erwartete Gesetzentwurf zur deutschen Pkw-Maut für Ausländer hat am Donnerstag viel Kritik geerntet. Verkehrsminister Alexander Dobrindt verteidigte seine Pläne in Berlin als "fair, sinnvoll und gerecht". Jeder zusätzlich eingenommene Euro fließe in die Stärkung der Verkehrswege.
Deutsche Maut soll ab 2016 kommen

Geschlossen werde eine Gerechtigkeitslücke, indem die Maut “all diejenigen angemessen an der Finanzierung unserer Straßen beteiligt, die bisher diese kostenlos nutzen”.

Merkel wenig enthusiastisch

Schützenhilfe kam vom bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer (CSU). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich deutlich weniger enthusiastisch und wertete Dobrindts Pläne lediglich als “vertretbar”, wie sie nach einem Gespräch mit dem slowenischen Ministerpräsidenten Miro Cerar sagte.

Pkw-Maut soll ab 2016 starten

Dobrindt will die Einführung 2016 schaffen – bisher war immer der 1. Jänner genannt worden. Das besänftigt aber die Kritiker nicht. Dobrindt hat seine ursprünglichen Mautpläne so gestutzt, dass nun nur noch mit Einnahmen von 300 Mio. Euro gerechnet wird. Im Verkehrshaushalt des Bundes fehlen allerdings nach parteiübergreifender Meinung vieler Verkehrspolitiker alljährlich mehrere Milliarden Euro, um den jahrelangen Investitionsstau bei Straße und Schiene zu beheben.

ADAC: Maut als Nullsummenspiel

Der ADAC prophezeite, dass die Maut zum Nullsummenspiel werde. “Es wird netto nichts übrig bleiben”, sagte ADAC-Verkehrsexperte Jürgen Albrecht auf Anfrage. Nach Schätzung des ADAC werden die Kosten der Verwaltung bei etwa 300 Mio. Euro liegen – in etwa so viel wie die Maut an Einnahmen bringen soll.

Nur 6,7 Prozent ausländische Fahrer

Albrecht begründet das mit der komplizierten Verwaltung: Nur 6,7 Prozent der Pkw-Fahrer auf deutschen Autobahnen seien Ausländer. Die Maut solle aber zunächst für 100 Prozent aller Autofahrer – Inländer und Ausländer – erhoben werden. Die deutschen Fahrer sollten die Mautgebühr dann über eine niedrigere Kfz-Steuer wieder rückerstattet bekommen. “Wenn ich 93 Prozent der Autofahrer vollumfänglich kompensiere, ist es auch kein Wunder, dass keine relevanten Mehreinnahmen zustande kommen”, sagte Albrecht. Denn dafür sei ein großer Verwaltungsapparat notwendig.

Albrechts Kritik bezieht sich unter anderem darauf, dass nach den in den vergangenen Wochen bekannt gewordenen Überlegungen des Verkehrsministeriums etwa 1.000 bis 1.500 Beamte für die Mautverwaltung nötig sein werden.

Angst vor Ausweichverkehr in den Dörfern

Kritik kam auch von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: “Die Pkw-Maut ist und bleibt ein Unsinn”, sagte er. Eine Maut nur auf den Autobahnen werde Ausweichverkehr in den Dörfern erzeugen. Eine Maut auf allen Straßen werde Schaden für die Grenzregionen bedeuten. “Egal wie, die Maut wird mehr Schaden als Nutzen verursachen. Also: Lasst es ganz bleiben!”

Stöger: Diskriminierung von EU-Bürgern

Außerhalb der bayerischen Grenzen kamen Kritik und Einspruch von mehreren Seiten – unter anderem aus Wien: “Es bleibt dabei: Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union dürfen auf deutschen Straßen nicht diskriminiert werden”, sagte Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ).

Die CSU will sich davon nicht beirren lassen. Ministerpräsident Seehofer begrüßte Dobrindts Pläne zur Maut ausdrücklich. “Sie bringt ein Stück weit Gerechtigkeit, weil in fast allen angrenzenden Ländern und im europäischen Ausland eine solche Abgabe erhoben wird.” Es komme jetzt darauf an, dass die Einnahmen in Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur flößen.

CSU-Generalsekretär Scheuer sagte: “Bundesminister Dobrindt ist erfolgreich gelungen, was alle Vorab-Kritiker nicht glauben wollten.”

Wie die Pkw-Maut funktionieren soll

Die Erwartungen an Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrindt waren hoch: Mehr Geld für die Infrastruktur sollte die Pkw-Maut bringen, aber deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belasten, europarechtskonform sollte sie sein und den kleinen Grenzverkehr nicht bedrohen. Am Donnerstag nun hat der CSU-Politiker sein Konzept vorgestellt und an die anderen Bundesministerien verschickt. Die Details:

Wer zahlt die Maut?

Jeder, der ein Auto oder ein Wohnmobil in Deutschland zugelassen hat, muss zahlen. Die Gebühr wird formal für die Nutzung von Autobahnen und Bundesstraßen erhoben. Zusätzlich werden ausländische Autofahrer zur Kasse gebeten, wenn sie die hiesigen Autobahnen nutzen wollen. Frühere Überlegungen, auch Motorräder zu belasten, sind nach dem neuen Konzept vom Tisch. Ausnahmen gibt es voraussichtlich auch für Elektroautos und Wagen von Behinderten. Dobrindt will die Maut erstmals 2016 erheben.

Wie teuer wird es für deutsche Autofahrer?

Die Höhe der Gebühr ist abhängig von Hubraum und Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs, bei Wohnmobilen vom Gewicht. Inländische Halter müssen immer für das ganze Jahr bezahlen. Sie werden aber über eine Ermäßigung bei der Kfz-Steuer entlastet. Wer ein besonders umweltfreundliches, kleines Auto fährt, kann unter dem Strich sogar etwas herausbekommen.

Für Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 3 oder schlechter werden pro angefangener 100 Kubikzentimeter Hubraum 6,50 Euro fällig, bei Dieselmotoren 9,50 Euro. Für die Schadstoffklassen Euro 4 und 5 liegen die Gebühren bei zwei beziehungsweise fünf Euro, für die Schadstoffklasse 6 bei 1,80 Euro beziehungsweise 4,80 Euro. Für Wohnmobile werden pro angefangene 200 Kilogramm Gesamtgewicht 16 Euro verlangt. Die höchstmögliche Gebühr beträgt 130 Euro pro Jahr.

Was zahlen ausländische Autofahrer?

Sie können sich neben der Jahresgebühr auch für kürzere Zeiträume entscheiden – je nach Bedarf. Bei der Jahresgebühr gelten die gleichen Preise wie für inländische Autobesitzer, während zehn Tage pauschal zehn Euro kosten und zwei Monate 22 Euro. Die Gebühr kann über das Internet entrichtet werden oder an bestimmten Vertriebsstellen, etwa Tankstellen.

Muss ich mir eine Vignette an die Scheibe kleben?

Nein. Die Maut wird als “E-Vignette” erhoben – dabei wird das jeweilige Kennzeichen in den Datenbanken der Behörden mit der Maut-Zahlung verknüpft. Am Auto ist das nicht sichtbar.

Wie wird dann kontrolliert?

Auf Bundesfernstraßen, also Autobahnen und Bundesstraßen, werden die Nummernschilder elektronisch erfasst. Dazu können laut Dobrindt etwa die vorhandenen Mautbrücken für die Lkw-Maut, mobile Geräte oder fest installierte Kameras benutzt werden. Nach der Erfassung zeigt ein Datenabgleich, ob für den jeweiligen Wagen Maut gezahlt wurde. Ist dies der Fall, werden die erfassten Daten laut Dobrindt sofort gelöscht.

Wie viel Geld bringt die Maut dem Staat?

Unterm Strich soll es rund eine halbe Milliarde Euro im Jahr sein. Das Verkehrsministerium rechnet damit, dass deutsche Autofahrer etwa drei Milliarden Euro jährlich zahlen – wegen des Ausgleichs über die Kfz-Steuer bleibt davon aber nichts übrig. Fahrer aus dem Ausland sollen insgesamt rund 700 Mio. Euro im Jahr zahlen. Davon müssen die Betriebs- und Personalkosten für das Mautsystem abgezogen werden, die das Ministerium auf 195 Mio. Euro im Jahr veranschlagt. Kritiker befürchten allerdings, dass die Ausgaben zu niedrig angesetzt sind und von den Mauteinnahmen kaum etwas übrig bleibt.

Wohin fließt das Geld?

Die zusätzlichen Einnahmen landen zweckgebunden im Haushalt des Bundesverkehrsministeriums. Sie dürfen ausschließlich für die Verkehrsinfrastruktur ausgegeben werden, zum Beispiel für die Sanierung maroder Brücken oder den Neubau von Autobahnabschnitten.

Was ist mit den rechtlichen Bedenken der EU-Kommission?

Die haben sich nach Dobrindts Darstellung erledigt. Nach “intensiven Gesprächen” begleite die Kommission das Projekt “sehr positiv”.

(APA)

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