AA

Der Teppich als Malerei – zwischen Nostalgie, Revolution und Kompromiss

Ab 17. Juni zeigt der in Riga (Lettland) lebende russische Künstler Wadim Mass in der Wiener Innenstadt-Bar und Galerie Mellow seine neuen Arbeiten. Die Bilder sind als gemalte Kulturteppiche zu verstehen und erzählen Geschichten von Vergangenheit und Zukunft, von Freude und Traurigkeit, von Hass und Liebe und von der Überwindung sichtbarer und unsichtbarer Grenzen.

In Lettland, bis 1990 Sowjetrepublik im Baltikum und seit 2004 Mitglied der Europäischen Union, wird die nostalgische Liebe zum Ursprung gefördert, ja sogar kultiviert. Der dort beheimatete russische Künstler Wadim Mass begibt sich in seinen neuen Arbeiten auf die Suche nach solchen künstlerischen Archetypen. Während seiner Kindheit, zu Zeiten der Sowjetunion, waren Teppiche an der Wand nicht nur Zeichen häuslichen Komforts, sondern gleichzeitig meistens auch das einzige Artefakt im Haus. Gegen den sowjetischen Modergeruch rebellierend, konnte der junge Künstler damals nicht ahnen, dass ihn eben genau dieses nostalgische Sujet — der Teppich an der Wand — später einmal so stark beschäftigen würde.

In seinem Streben, den Eklektizismus des 20 Jahrhunderts zu überwinden, bewertete der Künstler in seiner Jugend diese Liebe zu Teppichen als einen Fehler. Er ersetzte die Teppiche an der Wand durch Bilder reich an politischen und sexuellen Provokationen („Selbstporträt Lenins mit Schirmmütze“, „Ilona in der Art von Manet“). Heute versteht der Künstler, dass uns Revolutionen letztendlich teuer zu stehen kommen und demonstriert seine Kompromissbereitschaft.

Es scheint, als ob eine solche Bereitschaft zu Veränderungen ihn zu dem Einsehen geführt hat, dass der Teppich an der Wand seine Berechtigung hat. Doch ist dieser Kompromiss ein Betrug, eine Illusion? Verbirgt sich dahinter die Aussage: „Zurück in die Vergangenheit – zurück zu den Wandteppichen“? Dann aber gefälligst ein Teppich als Faktum der Kunst, als eine Form der Malerei, die auf dem Trägermaterial der Leinwand wie ein Wandteppich gestaltet ist.

Die Malerei des Künstlers vibriert an der Grenze zu Modernismus und Expressionismus. Seine expressiv rhythmische Ornamentik, die charakteristischen krummlinigen Umrisse, ordnen sich einer durchgehenden Kompositionsstruktur unter. Große Farbebenen, Schattenrisse, fein abgestufte Monochromien sowie ein virtuoses Spiel von zarten Linien und Silhouetten, treten in einer bei Teppichen im Modernismus charakteristischen Weise dem ornamentalen Hintergrund bei.

Frech entzieht Wadim Mass den Leinwänden auch noch die Spannrahmen, als ob er genau wüsste, dass gerade seine Kunst die in die Krise geratene Welt, retten wird. Wenn man dann in seinen teppichartigen Ornamenten die Ruinen griechischer Tempel wieder erkennt, versteht man, der Künstler hat Recht – das „Heidentum“ der Kunst muss mit der Zeit ein ausgewähltes Genre freigeben und sei es nur für bestimmte Zeit. Denn, alle Kompromisse sind temporär.

Wadim Mass wurde 1962 in Riga geboren. Er absolvierte die Rigaer Kunstschule „Jan Rozental“ und die Leningrader Professionelle Hochschule für Kunst „W. Muchina“ (St. Petersburg).
1995 besuchte er die Lettische Staatliche Kunstakademie. Mass kann auf zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, national und international verweisen.
Im Mai 1995 wurden die Gemälde von Wadim Mass (zusammen mit den Werken von M. Schemiakin,
I. Kabakow, B. Messerer, V. Nemuchin, O. Rabin, M. Romadin, A. Zwerew u.a.) zur Auktion moderner Russischer Kunst in der Galerie „Drouot-Richelieu“ (Paris) ausgestellt. Von Mai bis November 1999 arbeitete Wadim Mass gemeinsam mit einer russischen Künstlergruppe in Israel an der Restauration der orthodoxen Kirche „Peter und Paul“ (Jaffa).
Derzeit befinden sich die Werke des Künstlers in Galerien und privaten Sammlungen in Norwegen, Schweden, Tschechien, Russland, USA, Frankreich, Großbritannien, Japan, Australien und Deutschland.
In Wien stellte Wadim Mass zuletzt im Jänner dieses Jahres im Café Einfahrt in Wien-Leopoldstadt aus.

Journalisten über die Werke von Wadim Mass:

„Seine Werke brauchen kein Kommentar, da sie alle so überzeugend wirken, dass es vollkommen egal ist, was auf der Leinwand gemalt ist…“
Aivars Pozarskis, „Diena“.

„Seine Malerei zeigt Landschaften, Portraits und vor allem Stilleben. In diesem Genre hat er so großen Erfolg, dass es für ihn selbst langweilig geworden ist, weil alle seine Werke mögen…“

„Als er in Petersburg studierte, entwickelte er sich in einer Großstadt der Kultur und der Kunstschulen verschiedener Länder und Völker. Den größten Einfluss übte auf ihn aber der ‚Augenzeuge des Unsichtbaren’ – der große Filonow – aus. Von ihm übernahm Mass ein erforschendes Herangehen an die Kunst und die Enthüllung der organischen Entwicklung von natürlichen Formen…“
Tatjana Grinko, „SM“.

“Seine Werke beinhalten keine ‚Schönheiten’. Pfirsichfarbene Wolken, rosa Sonnenuntergänge und silberne Gewässer sind für Mass nicht von Interesse. Er möchte keine Ähnlichkeit erzielen – eher umgekehrt. Es kam vor, dass Modelle beim Anblick noch nicht beendeter Werke Mass beschimpften, die Tür hinter sich zuknallten und fortgingen…“
Elena Wlasova, „Subbota“.

„Wie viele Wortspiele die Journalisten sich über diesen berühmten Namen ausgedacht haben. Aber wenn man wirklich ‚den Mass in die Massen’ lassen würde, wäre das Leben viel fröhlicher. Sein umwerfendes Farbgefühl, seine Komposition und seine Einfälle können einfach keinen gleichgültig lassen… „
Tatjana Borisoglebskaja, „Westi“.

Wadim Mass, Riga (Lettland), bilder als kulturteppich
bilder als kulturteppich
verwoben natürlich und einfach
aus vergangenheit und zukunft
aus freude und traurigkeit
aus hass und liebe
ohne grenzen und ohne rahmen

Bilder und Objekte

Mellow Café.Bar Mahlerstraße 13, 1010 Wien www.mellow.co.at
0699 11 39 20 74

Vernissage Donnerstag, 17. Juni 2010, 19 Uhr

Laudatio: Ursula Pfeiffer, Kuratorin / Dr. Marianna Blier, Künstlerin (in russischer Sprache)
Grußworte: Maija Teikmane, Botschaftsrätin der Republik Lettland
Eröffnung durch Maria Graff, Kulturvorsitzende Wien Innere Stadt

Ausstellung bis Ende Juli
Öffnungszeiten Mo–Fr: 16.30–2 Uhr Sa: 18–2 Uhr
Sonn- & Feiertag geschlossen

www.galeriestudio38.at/mass
http://mass.gallery.ru

  • VIENNA.AT
  • Wien - 1. Bezirk
  • Der Teppich als Malerei – zwischen Nostalgie, Revolution und Kompromiss
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen