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Der Song Contest-Sieg von Conchita Wurst hat Österreich verändert

Hat der ESC-Sieg von Conchita Wurst Österreich verändert?
Hat der ESC-Sieg von Conchita Wurst Österreich verändert? ©AP
Österreich habe sich durch den Sieg von Conchita Wurst beim Song Contest 2014 sehr verändert, meint der Historiker Dean Vuletic. Der Australier leitet seit 2013 am Institut für Osteuropäische Geschichten der Universität Wien das Forschungsprogramm "Eurovision: A History of Europe through Popular Music". 
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Dean Vuletic hat durch seine Arbeit Einblick in die österreichische Song-Contest-Seele, hält er an der Uni Wien doch auch eine Vorlesung, die er vor vier Jahren als erste reguläre Lehrveranstaltung zum Song Contest in New York aus der Taufe hob. “Österreich hat durch Conchita seine Einstellung zum Song Contest verändert”, zeigte sich Vuletic im APA-Gespräch am Rande der Tagung in London überzeugt. “Als ich 2013 angekommen bin, haben immer alle gejammert, das sei alles nur ein Witz, und niemand würde je für Österreich stimmen. Ich habe dann immer gesagt: Österreich hat nach Deutschland die meisten Nachbarstaaten in Europa. Wie kann es da sein, das niemand für Euch stimmt?”

Österreichs Sieg im Vorjahr war “gut”

Insofern sei diese Haltung auch ein Symptom für die generelle Position des Landes gewesen: “Man hatte immer der Eindruck einer autistischen Nation – oder besser einer traumatisierten Nation, die die Bürde der Geschichte zu tragen hat.” Er erinnere sich etwa an ein Gespräch mit einer Frau, die er gefragt habe, ob sie sich vorstellen könne, dass Österreich wie Dänemark beim ESC im Vorjahr für sich heuer mit dem Slogan als “glücklichstes Land der Welt” werben könnte. Ihre Antwort sei eindeutig ausgefallen: “Warum sollten wir sagen, dass wir glücklich sind?”, so Vuletic: “Das zeigt, wie die Österreicher über sich selbst denken – und deshalb ist der Sieg im Vorjahr gut.”

Australien erstmals beim Song Contest dabei

Dass heuer seine Heimat Australien auf Betreiben des ORF als Ausnahme im Jubiläumsjahr erstmals bei Song Contest teilnehmen kann, beeindruckt Vuletic weniger als der Umstand, dass zahlreiche europäische Länder heuer (weiterhin) nicht am Bewerb teilnehmen. Konkret denke er hier an die Slowakei, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und die Türkei – “just jene Länder, die die größten Migrantengruppen in Österreich stellen.” Hier hätte man von Veranstalterseite mehr Engagement zeigen können, ist Vuletic überzeugt: “Warum glorifiziert Ihr den Multikulturalismus von Australien und seht Euch selbst nicht so? Ich habe 20 Studenten in meiner Veranstaltung, und als ich gefragt habe, wer schon einmal in der Slowakei war, hat nicht einer die Hand gehoben. Das ist schlimm!”

Nicht zu viel Bedeutung hineininterpretieren

Zugleich dürfe man die politischen Implikationen des ESC auch nicht zu hoch einschätzen. “Wir lesen den Song Contest immer als Metapher für die europäische Einigung. Ich glaube, wir sollten damit nicht übertreiben. Die European Broadcasting Union war immer unabhängig von den anderen transnationalen europäischen Institutionen”, so Vuletic. Dennoch sei der ESC natürlich als Veranstaltung, die 60 Jahre ohne Unterbrechung stattgefunden hat, ein ideales Forschungsobjekt, in dem sich die Veränderungen des Kontinents über die Jahrzehnte hinweg widerspiegelten.

Entsprechend möchte Vuletic diese Forschung in Wien fortsetzen. Sein Vertrag läuft zwar im August aus, der Historiker hofft allerdings auf eine Verlängerung. Außerdem arbeitet er an einem Buch zum Thema, das im kommenden Jahr erscheinen soll. (APA)

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