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Das sagen Vorarlbergs Politiker zur Forderung nach einer Privatkonkurs-Reform

Die Meinungen über das Thema Privatkonkurs-Reform gehen auseinander.
Die Meinungen über das Thema Privatkonkurs-Reform gehen auseinander. ©Pixabay
In einem Interview mit VOL.AT äußerte der Geschäftsführer der IfS Schuldenberatung Peter Kopf einmal mehr Zweifel an der Sinnhaftigkeit der bestehenden Gesetze zum Privatkonkurs. Wir haben bei Vorarlberger Politikern nachgefragt, wie sie zu der Forderung nach einer Reform des Privatkonkurses stehen.
IfS zum Privatkonkurs

“Die Mindesthürde von zehn Prozent ist zu hoch und sollte gesenkt werden. Neun von zehn Menschen, die einen Privatkonkurs nötig hätten, wird der Zugang dazu verweigert. Diese bleiben dann auf der Strecke”, kritisiert Schuldenberater Peter Kopf. Das sind die Antworten der Sozialsprecher aller Parteien auf die Forderung von Kopf.

“Österreich hat ein funktionierendes System”

Sozialsprecher der NEOS Gerald Loacker / Philip Steurer
Sozialsprecher der NEOS Gerald Loacker / Philip Steurer ©Sozialsprecher der NEOS Gerald Loacker / Foto:  Steurer

“Österreich hat ein gut funktionierendes System des Privatkonkurses. Über 90 Prozent der Verfahren werden positiv abgeschlossen. Die Forderung nach einer Abschaffung der Mindestquote übersieht, dass in Ländern ohne Mindestquote die Eintrittshürde in den Konkurs viel höher ist. Man muss in diesen Ländern also mehr Schulden haben, um überhaupt in Privatkonkurs gehen zu können. Die Interessen der Gläubiger sind ebenso schützenswert wie die Interessen der Schuldner. Daher ist eine Mindestquote unbedingt zu behalten“, so Gerald Loacker von den Neos.

“Im Europavergleich derzeit Schlusslicht”

Sozialsprecherin der Grünen Sandra Schoch / Philip Steurer
Sozialsprecherin der Grünen Sandra Schoch / Philip Steurer ©Sozialsprecherin der Grünen Sandra Schoch / Foto: Steurer

“Österreich, und damit auch Vorarlberg, ist im Europavergleich derzeit Schlusslicht was den Privatkonkurs betrifft. Wir Grüne sind der Meinung, dass der Privatkonkurs erleichtert werden sollte, um Armut vorzubeugen. Verschuldung macht arm und krank. Überschuldung kann jeden, etwa durch Arbeitsverlust oder Haftungen, treffen. Zusätzlich finden Verschuldete, die arbeitslos sind, schwer einen Job, da die Arbeitgeberbetriebe für die Lohnpfändung verantwortlich sind. Das bedeutet einen zusätzlichen Arbeitsaufwand bei der Lohnverrechnung. Diesen Zusatzaufwand wollen viele Unternehmen nicht auf sich nehmen und dadurch wird für die Betroffenen ein Jobeinstieg erschwert. Ohne Job ist es jedoch nicht möglich die Schulden zurück zu zahlen. Ich rege daher erneut an, das vom ESF und BMWA 2005 geförderte Projekt „Schulden-Shredder“, das sich mit dieser Problematik befasste, weiterzuentwickeln. Die Vereinfachung bei der Abwicklung von Lohnpfändungen würde zudem Arbeitgeber und Arbeitnehmer entlasten. Wir müssen alles tun, um diesen Menschen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und Armut präventiv zu verhindern. Die derzeitige Mindestquote von 10 Prozent Rückzahlung ist für Menschen mit niedrigem Einkommen oder sehr hohen Schulden kaum erreichbar. Wir wollen daher die 10 Prozent Hürde für Privatkonkursverfahren abschaffen”, erklärt Sandra Schoch von den Grünen.

“Wirtschaftliche Grundausbildung sollte verpflichtend sein”

Sozialsprecher der Vorarlberger ÖVP / Stiplovsek
Sozialsprecher der Vorarlberger ÖVP / Stiplovsek ©Sozialsprecher der Vorarlberger ÖVP Matthias Kucera Foto: Stiplovsek

“Die Privatkonkursverfahren nahmen in der Vergangenheit stetig zu. Die Anzahl der Privatkonkursverfahren wird auch in den kommenden Jahren aus meiner Sicht weiter steigen. Bereits in der Schule sollte eine wirtschaftliche Grundausbildung verpflichtend sein. Ich befürworte die aktuellen gesetzlichen Regelungen. Mit Zustimmung der Gläubiger ist eine Entschuldung auch ohne Mindestquote möglich. Gegen den Willen der Gläubiger ist zur Zeit eine Mindestquote von zehn Prozent in 84 Monaten aufzubringen. Im Einzelfall kann die Mindestquote durch gerichtlichen Beschluss reduziert werden. Auch die Verlängerung des Zahlungszeitraumes auf mehr als sieben Jahren ist möglich. Trotzdem bin ich für den Ausbau der Möglichkeit für das Konkursgericht, im Rahmen von Billigkeitsentscheidungen im begründeten Einzelfall von einer Mindestquote bei außerordentlicher Redlichkeit der Schuldner abzusehen. Jeder Schuldner kann seinen Gläubigern den Abschluss eines Zahlungsplans anbieten. Für den Zahlungsplan ist eine Mindestquote gesetzlich nicht vorgesehen. Der Zugang zum Privatkonkurs wird daher nach der aktuellen Rechtslage nicht verweigert. Im Abschöpfungsverfahren soll aber aus meiner Sicht bei außerordentlicher Redlichkeit des Schuldners im Einzelfall im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch ein maßvolles Unterschreiten der zehn prozentigen Mindestquote möglich sein”, sagt Matthias Kucera von der ÖVP.

“Fokus sollte auf der Prävention gerichtet werden”

FPÖ-Sozialsprecherin Cornelia Michalke / Foto: Philip Steurer
FPÖ-Sozialsprecherin Cornelia Michalke / Foto: Philip Steurer ©FPÖ-Sozialsprecherin Cornelia Michalke / Foto: Steurer

“Wenn man die statistischen Auswertungen des Kreditschutzverbands betrachtet, wonach über 90 Prozent der eingeleiteten Privatkonkursverfahren positiv abgeschlossen werden, so verfügt Österreich über ein durchaus funktionierendes System der Schuldenregulierung. Grundsätzlich sollte der Fokus jedoch auf die Schuldenprävention gerichtet und dabei die Eigenverantwortung der Menschen wieder stärker in den Vordergrund gerückt werden. Nur einseitig die Hürden für den Privatkonkurs zu senken, halte ich für problematisch, denn eine Reform in diesem Bereich sollte sowohl den Interessen der Schuldner als auch der Gläubiger gerecht werden”, erläutert Cornelia Michalke von der FPÖ.

“Derzeitige Regelung lässt zu viele Menschen in ihren finanziellen Notlagen im Stich”

Sozialsprecherin der SPÖ Vorarlberg Gabi Sprickler-Falschlunger / Foto:
Sozialsprecherin der SPÖ Vorarlberg Gabi Sprickler-Falschlunger / Foto: ©Sozialsprecherin der SPÖ Vorarlberg Gabi Sprickler-Falschlunger / Foto: Steurer

“Die Forderung, die Mindesthürde für den Zugang zum Privatkonkurs zu senken, unterstütze ich. Wer heute in der Schuldenfalle gefangen ist, kann sich angesichts der schwierigen Situation am Arbeits- und Wohnungsmarkt kaum noch eigenständig daraus befreien. Die derzeitige Regelung lässt zu viele Menschen in ihren finanziellen Notlagen im Stich. Wenn von der aktuellen Regelung nur zehn Prozent jener Vorarlberger profitieren, die dringend auf einen Entschuldungsprozess angewiesen sind, greift das System zu wenig. Die Reform des Privatkonkurses kann aber zwangsläufig nur eine von mehreren politischen Maßnahmen sein, um die zunehmende Verschuldung von Privatpersonen zu stoppen. Begleitet werden muss dieser Schritt unbedingt von der Schaffung günstigen Wohnraumes und der Einführung eines angemessenen Mindestlohnes von 1.500 Euro (netto). Nur, wenn die steigenden Lebenskosten eigenständig bewältigt werden können, kann der um sich greifenden Privatverschuldung ein Riegel vorgeschoben werden”, so Gabriele Sprickler-Falschlunger.

Probleme, Fragen zum Thema Schulden oder Privatkonkurs? Der Geschäftsführer der IfS Schuldenberatung Peter Kopf live auf VOL.AT!

Haben Sie Fragen und Probleme zum Thema Schulden oder Privatkonkurs? Schuldenberater Peter Kopf wird am Donnerstag den 12.01. ab 11.15 live auf VOL.AT Rede und Antwort stehen. Bitte senden Sie uns ihre Fragen via

Mail: redaktion@vol.at

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