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Das große Missverständnis einer Burgtheater-Entlassung

Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger: Missverständnis einer Burgtheater-Entlassung
Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger: Missverständnis einer Burgtheater-Entlassung ©APA
Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger: Durch die ohnedies immer leicht erregbare Wiener Kulturszene geht ein besonders heftiger Sturm: Alle, die ein Mikrophon sehen, empören sich, weil die Vizedirektorin des Burgtheaters entlassen worden ist. Und Schauspieler finden ja fast immer ein Mikrophon, egal wie wenig Ahnung sie auch im Konkreten haben. Sie unterliegen in der Causa dieser Entlassung inhaltlich freilich einem gewaltigen Missverständnis.

Denn in einem Rechtsstaat geht es nicht um persönliche Sympathien – auch ich habe die Dame persönlich immer nett und hilfsbereit erlebt –, sondern um die Einhaltung von Gesetzen. Daher ist es absolut irrelevant, ob die Worte der Vizedirektorin auch wirklich stimmen, von deren Richtigkeit das Ensemble überzeugt ist, und die auch ich für höchstwahrscheinlich richtig halte. Sie sagte: „Ich habe während meiner über dreißigjährigen Anstellung ausschließlich die Interessen des Burgtheaters verfolgt und für das Burgtheater gelebt”.

Nur: Darum geht es nicht. So einfach ist die Welt nicht. Das sollten eigentlich auch Schauspieler begreifen. Der Großteil der Strafprozesse der letzten Jahre hätte ja gar nie stattgefunden, wäre wirklich der einzige rechtlich relevante Maßstab jener, ob man ausschließlich die Interessen der Firma vertreten hat. Das tun schließlich auch Mitglieder einer Mafia-Gang.

Es geht vielmehr um die Einhaltung der ganzen Rechtsordnung. Man kann es bedauerlich finden, dass diese Rechtsordnung so umfangreich ist (und dass sie gerade durch ein gewaltiges Steuererhöhungspaket, gegen das sich bisher noch kein Schauspieler geäußert hat, noch viel umfangreicher und komplizierter geworden ist). Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese Rechtsordnung einzuhalten ist. Ansonsten gerät man jedenfalls mit Gerichten, Polizei und sonstigen Behörden in Konflikt.

In Zehntausenden österreichischen Firmen sitzen Geschäftsführer, Abteilungsleiter, Direktoren und sonst wie Verantwortliche, die täglich darum ringen, die Interessen ihrer Firma mit den Vorschriften des Rechtsstaats auf gleich zu bringen. Das ist oft extrem schwer. Steuergesetze, Bilanzierungsregeln, Meldepflichten, Geheimhaltungszwänge, Interessenschutz, Deklarierungsvorschriften, Wettbewerbs-Verordnungen: Tausende und Abertausende Paragraphen engen den Spielraum zunehmend ein, den man eigentlich bräuchte, um die Interessen der Firma und deren Eigentümer effizient wahrzunehmen.

Daher ist es schnurzegal, dass derzeit alle sagen, die nun entlassene Vizedirektorin habe sich ja nie auch nur mit einem Cent bereichert. Und das Burgtheater habe keinen Schaden erlitten. Das reicht für ein rechtskonformes Verhalten leider überhaupt nicht.

“Interessen des Theaters sind nicht automatisch die Interessen des Eigentümers”

Im Falle des Burgtheaters kommt sogar noch etwas Zweites hinzu: Die Interessen des Theaters sind nicht automatisch die Interessen des Eigentümers. Dessen Eigentümer sind nämlich keineswegs die Schauspieler, Billeteure und Kulissenschieber. Auch wenn sie selbst und manche Kulturjournalisten das so sehen mögen. Eigentümer sind einzig und allein die Staatsbürger und Steuerzahler. Deren Interessen sind natürlich sehr oft andere als jene eines Schauspielers und nur sie hat das Burgtheater ebenso wie die Bundestheaterholding ebenso wie die jeweiligen Minister im Auge zu behalten.

Ganz ähnlich wird ja auch zu Recht beispielsweise beim Thema Aktiengesellschaften genau geschaut, dass die Vorstände keinen Spielraum haben, ihre eigenen Interessen über jene der Eigentümer zu stellen. Sie dürfen sich beispielsweise keineswegs persönlich durch Spenden als Gutmenschen profilieren, sobald diese Spenden über die Marketing-Zwecke des Unternehmens hinausgehen. Gut und edel sein darf, kann und soll man mit eigenem Geld (also etwa die Aktionäre), aber nicht mit fremdem (also etwa die Vorstände).

Erst recht haben die Steuerzahler dasselbe Eigentumsrecht wie Aktionäre. Daher haben die von ihnen eingesetzten Funktionsträger (Minister, Geschäftsführer, Direktoren usw.) die Interessen der Steuerzahler im Auge zu haben und diesen immer Vorrang zu geben, wenn es zu einer Kollision mit ihren persönlichen Interessen oder denen der Mitarbeiter eines Theaters kommt.

Was bei der Wirtschaft jedem als Prinzip klar ist, darf im öffentlichen Bereich ganz sicher nicht anders sein. Auch wenn das Burgtheater und seine Schauspieler in Wien noch so populär (gewesen) sind.

Über Dr. Andreas Unterberger:

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse” bzw. „Wiener Zeitung”. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch”, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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