Dubrovnik im Jahr 1993. In der Stadt herrscht zwar kein Krieg mehr, in den Straßen und den Herzen der Menschen ist er aber noch immer präsent: Anhaltende Bombeneinschläge im Hinterland, versehrte Häuser und die fehlenden Männer gemahnen daran. Hier siedelt die Schweizer Regisseurin Andrea Stakas ihren neuen Spielfilm an.
Kurzinhalt zu “Cure”
Linda (Sylvie Marinkovic) kehrt nach der Trennung ihrer Eltern mit ihrem Vater, einem kroatischen Zahnarzt, aus Zürich zurück nach Dubrovnik. In der Schule lernt sie die gleichaltrige Eta (Lucia Radulovic) kennen. Deren Familie besteht, wie viele andere im Nachkriegskroatien, nur aus Frauen. Mit ihrer Mutter und der Großmutter lebt die 14-Jährige in einer düsteren Wohnung, in der die Lebensfreude längst abhandengekommen ist.
Für Eta ist die Ankunft von Linda deshalb eine willkommene Abwechslung. Die beiden Mädchen sind fasziniert voneinander und verbringen bald jede Minute gemeinsam. An einem Frühlingstag nimmt Eta Linda mit auf den Berg Petka oberhalb der Stadt, von wo aus der Blick über die Stadt und die tosende See atemberaubend ist. Abseits des Wegs, wo unter der wilden Vegetation noch Landminen verborgen liegen, beginnt ein verstörendes Spiel zwischen Eta und Linda: Es geht um Macht, Sexualität und einen Rollentausch. Nach einem fatalen Kuss kehrt nur Linda in die Stadt zurück.
Was danach geschieht, ist nicht minder verstörend. Linda versucht, mit ihrer Schuld am Tod Etas und dem Verlust der Freundin fertig zu werden. Doch das gelingt ihr nicht, zumal Etas Großmutter sie seltsamerweise mit der toten Enkelin zu verwechseln scheint. Auch Eta lässt Linda keine Ruhe und kehrt immer wieder zurück. Langsam scheint auch Linda selber abhandenzukommen.
Staka gewann 2006 mit “Das Fräulein”, einem Film über drei Frauen aus Exjugoslawien, den Goldenen Leoparden am Festival del film in Locarno. Auch “Cure” feierte dort im August Premiere, ging im Wettbewerb jedoch leer aus. Einen Preis als beste Darstellerin erhielt hingegen die Schweizer Jung-Darstellerin Sylvie Marinkovic am Filmfestival im georgischen Batumi.
Kritik zu “Cure – Das Leben einer anderen”
“Cure” verbindet mit dem Vorgänger gemeinsame Motive wie etwa das Leben zwischen zwei Kulturen oder die Dominanz der Frauen. Trotzdem ist der Film mehr geheimnisvolles Drama als Sozialstudie. Mit Wahrheitsgehalt: Die Geschichte zweier Freundinnen, die von einem Ausflug nicht wie vorgesehen heimkehren, hat Staka in unterschiedlichen Versionen in Kroatien gehört.
Mystisch ist auch der Film: Das Drama ist ein subtiler, fesselnder Tanz um Realität und Einbildung, aber auch um Obsession und Gewalt. Immer wieder holt sich Staka Bilder der Natur zu Hilfe, um die Gefühlswelt Lindas darzustellen. So brodelt das Meer unter ihr ebenso wie die Gefühle in ihrem Innern zu toben scheinen. Und Lindas und Etas Gang über die Landminen kann als Sinnbild für das schwere Erbe junger Menschen eines krisengeschüttelten Landes gelesen werden.
(APA)