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Chuzpe und Heuchelei nach Rathausart

©APA
Gastkommentar von Andreas Unterberger: Es waren die wohl grässlichsten Geschehnisse während der letzten Jahrzehnte in Wien. Tausende Kinder – mindestens 2700 – sind in Anstalten der Gemeinde Wien, vor allem im Kinder„heim“ Wilhelminenberg, sexuell schwer missbraucht und misshandelt worden.

Es gibt auch massive Anzeichen, dass die Kinder dort wie in einem Bordell verfügbar gehalten worden sind, dass Machtträger von der Zwangsprostitution der Kinder finanziell profitiert haben. So widerlich das alles war, so erfolgreich war das Rathaus in den letzten Jahren mit seiner Strategie, das alles weitestgehend unter dem Teppich zu halten.Es gab zwar irgendwelche Untersuchungen hinter dicht verschlossenen Türen, und es gab in etlichen Fällen auch Entschädigungen für Opfer.

Aber was ist mit den Tätern? Nein Täter hat es offenbar nie gegeben. Nur Opfer.

Zum Unterschied von Vorfällen im christlichen Internatsbereich wurde jedenfalls kein einziger Täter direkt oder indirekt genannt, bestraft oder an den Pranger gestellt. Was unabhängig von der rein juristischen Verjährung doch ziemlich seltsam ist. Dabei übertrafen die Vorfälle am Wilhelminenberg jene im kirchlichen Bereich durch die geradezu industrielle Ausbeutung der wehrlosen Heimkinder bei weitem.

Mit Hilfe der befreundeten Genossen im ORF gelang es auch, die Fernseh-Berichterstattung über die Wiener Missbrauchsskandale auf ein Bruchteil der ORF-Berichte über kirchliche Affären zu reduzieren.

In einer unglaublichen Volte von „Experten“ im Dienste des Rathauses wurde dann sogar dem Nationalsozialismus die Schuld an den Verbrechen zugeschoben, um die SPÖ reinzuwaschen. Nun, dieser war gewiss das Allerschlimmste, was je auf österreichischem Boden stattgefunden hat. Aber meines Wissens war er im Wien der 50er und 60 nicht mehr an der Macht, als sich all diese Vorfälle ereigneten. Daher ist das eine billige wie miese Ausrede.

Wenn dann jedoch von den Wiener Rathauspropagandisten argumentiert wird, dass sich der nationalsozialistische (Un-)Geist eben weiter gehalten hätte, dann wird damit ja in Wahrheit noch viel Ungeheuerlicheres zugegeben: Zwischen dem Hitlerschen Nationalsozialismus und dem SPÖ-Sozialismus in Wien hat es viel mehr Ähnlichkeiten gegeben als nur die einer verteufelt ähnlichen Partei- und Ideologiebezeichnung.

Freilich: Würde man das endlich einmal offen eingestehen, dann müsste die braune Nachkriegs-Geschichte der SPÖ in Wien und Österreich viel intensiver aufgearbeitet werden als bisher geschehen. Vor allem deshalb, weil Querverbindungen zum Nazi-Gedankengut NACH dem Holocaust tausendmal schlimmer sind als der Umstand, dass Jahrzehnte VORHER der Bürgermeister Lueger üble antisemitische Töne von sich gegeben hat. Und wenn die heutige SPÖ Straßenbezeichnungen nach Lueger abmontieren lässt, dann müsste sie das tausend Mal mehr bei allen Nachkriegs-Bürgermeistern und Stadträten machen. Auch wenn diese allesamt aus den SPÖ-Reihen gekommen sind.

Alles andere wäre pure Heuchelei.

Aber in Wien regiert die pure Heuchelei. Die rotgrüne Rathaus-Herrschaft denkt gar nicht daran, ihr Verhalten zu ändern. Ganz im Gegenteil. Sie setzt zwei weitere schlimme Zeichen:

  • Erstens verhängt sie einen Anmeldeschluss für alle Opfer, die sich noch nicht gemeldet haben (eine solche Meldung ist freilich wegen der schweren Traumatisierung für die Betroffenen oft psychologisch unendlich schwierig).
  • Zweitens schlägt die zuständige Stadträtin Wehsely jetzt allen Ernstes vor, dass der Bund eine „nationale Gedenkzeremonie“ für die missbrauchten Kinder setzt. Das ist nun wirklich Chuzpe zur Potenz. Jetzt auf einmal soll der Bund für Reue-Aktionen ob der  Verbrechen der Gemeinde zuständig und damit natürlich in den Augen vieler – über die genaue Schuldlage uninformierter – Menschen zum Mitschuldigen werden.

Das ist wirklich ungeheuerlich.

  1. Denn zum einen waren diese „Heime“ und „Wohl“-Fahrtseinrichtungen einzig und allein Kompetenz der Gemeinde Wien.
  2. Zum zweiten sind aus den allermeisten anderen Bundesländern keinerlei Verbrechen dieser Dimension bekanntgeworden.
  3. Und zum Dritten ist gerade die Gemeinde Wien sonst immer eifersüchtig darauf bedacht, den Bund aus all ihren Angelegenheiten total fernzuhalten. Michael Häupl hat in Richtung Bund sogar mehrfach gesagt: „Wir machen, was wir wollen“. In Hinblick auf die vom Bund kritisierten üppigen und weit über dem Rest Österreichs liegenden Beamtengehälter der Stadt Wien ebenso wie in Hinblick auf die exzessiven Wiener Bestechungsinserate.

Aber wenn’s um Schuldbekenntnisse geht, dann wird auf einmal der Bund herbeigewünscht.

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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