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Cheyenne - This Must Be The Place

Depressiv oder einfach nur gelangweilt? Cheyenne ist vermutlich beides. Der gealterte Rockstar weiß 20 Jahre nach seinem Rückzug aus der Musikbranche nichts mehr mit sich anzufangen. Hier geht's zum Trailer Alle Spielzeiten auf einen Blick

Da kommt die Jagd auf einen ehemaligen NS-Schergen, der einst seinen Vater im Konzentrationslager gedemütigt hat, gerade recht. Einen irrwitzigen Stoff, cineastische und musikalische Anleihen aus den 80er Jahren und einen grandiosen Sean Penn packt Paolo Sorrentino (“Il Divo”) in sein englischsprachiges Debüt “Cheyenne – This must be the place”. Das komödiantische Drama respektive Roadmovie kommt am Freitag in unsere Kinos.

Bleich geschminktes Gesicht, rote Lippen, schwarz umrandete Augen und wild auftoupierte Haare: Wenn Cheyenne in den Spiegel schaut, blickt ihm eine Mischung aus verbrauchter Drag Queen und traurigem Clown entgegen. In den 80er Jahren feierte er in der Ära des Postpunk und New Wave mit seiner Band The Fellows große Erfolge – bis ihn der Suizid zweier Fans in die Sinnkrise stürzte. Seither lebt er zurückgezogen in einer Villa in Dublin. Seine Ehefrau Jane (Frances McDormand) fungiert als treue Aufrechterhalterin seines bescheidenen Alltags und das 16-jährige Goth-Mädchen Mary (Bonos Tochter Eve Hewson) als vermeintlich engste Vertraute.

Als Cheyenne erfährt, dass sein Vater, mit dem er seit 30 Jahren keinen Kontakt mehr hatte, im Sterben liegt, reist er nach New York – um ihn dort bereits tot aufzufinden. Und alles, was Cheyenne von seinem Vater bleibt, ist, dessen Suche nach dem ehemaligen Nazi-Schergen Aloise Lange fortzusetzen, der ihn – einen polnischen Juden – einst im Konzentrationslager so gedemütigt hatte. Die Jagd, den Vater zu rächen, führt ihn ins amerikanische Hinterland – und dient nebenbei auch noch zur Selbstfindung.

So wie der titelgebende Song “This must be the place” laut Ex-Talking-Head-Leadsänger David Byrne das “geradlinigste Liebeslied” der Band war, so ist Sorrentinos Film auch eine Liebeserklärung des Regisseurs an all jene Relikte der 80er Jahre, die ihn bis heute inspirieren. “Der Tragödie aller Tragödien, dem Holocaust, die Welt der Popmusik gegenüber zu stellen, der Inbegriff des Aufgeblasenen, Oberflächlichen und Frivolen, schien mir eine Kombination, die so gefährlich und gewagt ist, dass sich daraus eine interessante Geschichte entwickeln ließ”, sagt Sorrentino im Presseheft.

Inspiriert von Filmemachern wie Jonathan Demme oder David Lynch erkundet der Italiener quasi gemeinsam mit dem Zuschauer all die ikonischen Filmdrehorte vom jüdisch geprägten New York bis zur amerikanischen Wüste und “den Bars mit ihren besonders langen Tresen”, die ihn einst das Kino lieben lernten. Er lässt Indianer gen Horizont laufen, Büffel auf der Veranda grasen und den skurrilen Cheyenne auf noch skurrilere Amerikaner treffen. Das musikalische Idol seiner Jugend wiederum, Byrne, verpflichtete er dazu, die Filmmusik beizusteuern und in einer Szene sich selbst zu spielen. Ihm vertraut sich Cheyenne an und offenbart sich als ehemaliger “Scheißpopstar”, der nur düstere Musik geschrieben hat, “als es in war”: “Depressive Musik für depressive Kinder.”

Der schlurfende Gang und die gebückte Haltung des Ex-Rockers erinnern zwar an den exzessgeschädigten Ozzy Osbourne, hauptsächlich angelehnt ist Cheyennes Äußeres jedoch an The Cure-Sänger Robert Smith. Der identifiziere sich mit 50 noch immer mit dem Aussehen aus seiner Jugendzeit und wirke dabei “überhaupt nicht aufgesetzt oder albern oder traurig”, so Sorrentino. Der wohl größte Erfolg des Films ist ebendiese faszinierende Verwandlung seines Hauptdarstellers. Das ist nicht Sean Penn mit peinlichem Make-Up auf der Leinwand, sondern ein ganz neuer Mensch, den man im Laufe des Films lieben lernt, mit dem man mitlacht und auf Reisen geht. Penns wahrhaftige Darstellung gepaart mit Sorrentinos liebevollen Referenzen an die ihn prägenden 80er Jahre und die beeindruckende Bildkomposition ergeben einen Film, der oft irritiert und dann doch nachhaltig beeindruckt.

(APA)

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