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CH: Widerstand gegen Waffen im Haus

Am schnellsten mobil. Dieses traditionelle Motto der Schweizer Armee wird vor allem dadurch untermauert, dass in der Regel jeder wehrtaugliche Schweizer ein Gewehr im häuslichen Schrank hat.

Doch dagegen regt sich bei den Eidgenossen nun immer stärkerer Widerstand. Im Jahr sterben nämlich rund 300 Menschen durch Schüsse aus Schweizer Militärwaffen, wie die Universität Lausanne festgestellt hat. Oder drastischer: Etwa ein Drittel der Familientragödien werden mit solchen Waffen ausgelöst, bei Selbstmorden sind es sogar nahezu zwei Drittel der Fälle, bei denen eine Militärwaffe benutzt wird. Vor allem Frauen fürchten das Schießeisen im Schlafzimmerschrank.

Die Schweiz hat nach wie vor eines der liberalsten Waffengesetze in Europa. Die rund 7,5 Millionen Einwohner horten knapp drei Millionen Waffen im Haus. Die Reservisten haben davon etwa 500.000 im heimischen Kasten. Dagegen machen nun Frauenrechtlerinnen mobil. Hintergrund ist ein spektakulärer Fall, bei dem Anfang Mai vergangenen Jahres die ehemalige Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet und ihr Bruder Alain von Corinnes Ehemann, einem Hauptmann der Armee, mit einer Armeewaffe erschossen wurde. Natürlich ist es nicht nur das Sturmgewehr, das Angst macht, sagten Frauen danach in den Medien. Auch die Jäger und Sammler häufen in der Schweiz ein besonders hohes Arsenal an. Und die Zahl der täglichen Bedrohungen mit Waffen hinter Wohnungstüren bleibt ohnehin im Dunkeln.

Doch bei den Militärwaffen gehen die Meinungen besonders stark auseinander. So hat der Lausanner Kriminologe Martin Killias festgestellt, dass Armeeschusswaffen bei Familiendramen und Selbstmorden in der Schweiz eine zentrale Rolle zukommt. „Zudem mussten wir die beunruhigende Erkenntnis machen, dass der Familienmord in der Schweiz sehr häufig vorkommt. Jedes zweite Tötungsdelikt findet im Familienkreis statt“, sagte Killias. Damit nehmen die Eidgenossen in diesem Bereich hinter den USA den zweiten Platz ein. „Waffenmissbrauch und Familiendramen könnten sicher minimiert werden, wenn den Soldaten keine Munition mehr nach Hause mitgegeben würde“, schlägt er deswegen vor.

Das Parlament sollte eigentlich im Dezember über das Waffengesetz und damit auch über die Haltung von Militärwaffen im Haus beraten. Das wurde jedoch aus Zeitmangel auf dieses Jahr verschoben. Dabei geht es unter anderem um die „Schießpflicht“, nach der jeder wehrfähige Mann einmal im Jahr seine Schießpräzision mit seiner eigenen Waffe unter Beweis zu stellen hat.

Und während von konservativer Seite gegen die Abschaffung polemisiert wird, unter anderem mit dem Hinweis, dies sei Teil des Schweizer Demokratieverständnisses, hat gerade eine Frauenzeitschrift über 17.000 Unterschriften gegen die Waffe im Schrank gesammelt. Immerhin sollen nicht nur 72 Prozent der Frauen, sondern nun auch 60 Prozent der Schweizer Männer gegen die häusliche Aufrüstung sein. Ob das die traditionellen Schweizer im Parlament überzeugen wird, ist noch nicht ausgemacht.

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