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U-Ausschuss verdirbt sich selbst die Urlaubsstimmung

Der Vorstand der Österreichischen Lotterien Friedrich Stickler, am Mittwoch, 11. Juli 2012, anl. einer Sitzung des Korruptions-U-Ausschusses im Parlament in Wien.
Der Vorstand der Österreichischen Lotterien Friedrich Stickler, am Mittwoch, 11. Juli 2012, anl. einer Sitzung des Korruptions-U-Ausschusses im Parlament in Wien. ©APA
Der parlamentarische Korruptions-Untersuchungsausschuss hat sich am Mittwoch mit der letzten Sitzung zum Thema "Glücksspiel" in die Sommerpause verabschiedet - allerdings nicht in Harmonie. Vor allem eine neunseitige "Studie" sorgte weiter für Verwunderung.
Aufregung vor Sommerpause

Am Ende des Tages stritten die Fraktionen nämlich darüber, ob weitere Aktenlieferungen für die bereits behandelten Untersuchungsgegenstände bis Ende Dezember gestoppt werden sollen. Inhaltlich wurden am Mittwoch Vertreter von Glücksspielkonzernen befragt.

In die Haare bekommen haben sich die Abgeordneten am Abend wegen eines Antrags zur Aussetzung von Aktenlieferungen, der von ÖVP, SPÖ und BZÖ unterstützt wurde. FPÖ und Grüne übten heftige Kritik. Nicht einig sind sich die Fraktionen nun, ob es dafür einen einstimmigen Beschluss braucht – FPÖ und Grüne argumentieren entsprechend, weil es sich um eine Änderung des ursprünglich einstimmig gefassten Beweisbeschlusses handle. Das BZÖ ist jetzt für eine rechtliche Prüfung.

Dubiose Zahlungen der Glücksspielindustrie an Politik

In der Causa Glücksspiel geht es um dubiose Zahlungen der Glücksspielindustrie an die Politik während der Amtszeit von Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F/V). Zunächst musste am Mittwoch Lotterien-Geschäftsführer Friedrich Stickler den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Er betonte, dass die im Jahr 2006 geplante Änderung des Glücksspielgesetzes für die Lotterien existenzbedrohlich gewesen wäre, da es dabei um die Aufhebung des Glücksspielmonopols gegangen sei. “Die Novelle ist durch, die Kugel ist aus dem Lauf”, habe ihm damals kurz vor dem Plenum der damalige BZÖ-Chef Peter Westenthaler am Telefon am Weg zum Flughafen erklärt.

Daraufhin habe er seinen geplanten Flug nach Helsinki abgesagt und sei sofort in sein Büro zurückgekehrt, so Stickler. Von dort aus habe er zahlreiche Telefonate – vorwiegend mit ÖVP-Politikern, der Wirtschaftskammer und Sportverantwortlichen – geführt, um ihnen die Bedeutung der geplanten Änderungen bewusst zu machen. Die Aufhebung des Glücksspielmonopols auf diesem Wege wäre ein “gesetzlicher Umsturz”, ein “Staatsstreich” gewesen, denn nur ein ganz kleiner Kreis um Westenthaler und ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer hätten diesen Antrag vorbereitet, ohne Begutachtung, ohne Einbindung des Finanzausschusses. Infolgedessen sei es zu einer Erregung im ÖVP-Klub und zum Rückzug der Zustimmung zum Antrag gekommen.

300.000 Euro für neun Seiten

In der weiteren Befragung von Lotterien-Vorstand Friedrich Stickler sorgte vor allem bei der FPÖ für Verwunderung, dass es offenbar seitens des Unternehmens keine Bestrebungen gibt, dass man das zu viel bezahlte Geld für die neunseitige “Studie” der damaligen BZÖ-Werbeagentur Orange zurückbekommt. In diese Richtung würden keine Überlegungen angestellt, meinte Stickler zum Erstaunen des FPÖ-Fraktionsführers Walter Rosenkranz.

Studie “nicht als Gutachten zu bezeichnen”

Die Studie sei laut einem Sachverständigen der Staatsanwaltschaft Salzburg “nicht als Gutachten zu bezeichnen”, auch “bei großzügigster Auslegung der 2006 gängigen Honorarberechnungen erscheint die Verrechnung von 300.000 Euro für ein neunseitiges Schriftstück mindestens zwanzigfach überzogen und nicht gerechtfertigt”.

Auch auf die Frage, ob sich das Unternehmen erkundigt habe, wer den Auftrag an die Orange erteilt hatte, erntete Rosenkranz Kopfschütteln. Ob nachträglich intern nachgefragt wurde, wer von der Agentur “beraten” wurde? Seines Wissens nicht, räumte Stickler ein. Er werde die Sache mit den Vorständen besprechen. Rosenkranz vermutete, in Wirklichkeit sei es bei der “Studie” um verdeckte Parteienfinanzierung gegangen.

Für den Grünen Abgeordneten Peter Pilz ist die entscheidende Frage, wann Peter Westenthaler die Zusage bekommen habe, dass es 300.000 Euro von den Lotterien gebe. Er habe keinen Hinweis darauf, weil er die Rechnung zum ersten Mal in der Unterschriftenmappe gesehen habe, führte Stickler aus. Er habe mit Westenthaler nie über die “Studie” oder Beratungsleistung gesprochen und auch keine Studie in Auftrag gegeben, beteuerte er. Davon, ob dem Geld eine Leistung gegenüberstand, hat sich Stickler vor seiner Unterschrift offensichtlich nicht überzeugt: Er habe Leo Wallner gefragt, ob es in Ordnung sei und der habe bejaht, bekräftigte Stickler. Er könne nicht jeden Geschäftsvorgang überprüfen.

Von der parlamentarischen Initiative, das Gesetz zu ändern, habe er vom 11. auf den 12. Juli gehört, von seinem Kollegen Dietmar Hoscher, damals auch SPÖ-Abgeordneter, oder Wallner selbst. Dass es den Casinos und Lotterien naturgemäß ernst war mit ihrer Sorge, zeigt auch ein Brief vom 12. Juli 2006, also einen Tag vor dem Plenum, der von Stickler und Wallner an Finanzminister Karl-Heinz Grasser und alle Klubs ging. Man habe über mögliche Konsequenzen alarmieren wollen, erklärte Stickler. Von Antworten der Klubs wisse er aber nichts. Wann oder von wem er den entsprechenden Abänderungsantrag bekommen hat, konnte Stickler nicht sagen, Westenthaler könne er aber ausschließen.

Wallner nach Hause entlassen

Der 75-jährige Leo Wallner wurde bereits nach kurzer Befragung aus gesundheitlichen Gründen wieder nach Hause entlassen. Nach ihm an der Reihe war Novomatic-Chef Franz Wohlfahrt. Er verteidigte sein damaliges Vorgehen bei der gewollten Aufweichung des Glücksspielmonopols. Wohlfahrt stellte im Zusammenhang mit einem Vertrag mit Walter Meischberger auch gar nicht in Abrede, dass für diesen auch gesprochen habe, dass er gute Kontakte Grasser hatte. Dass sich ein Unternehmen eines Beraters bedient habe, der mit dem zuständigen Minister nicht gerade verfeindet sei, sei Novomatic nicht zum Vorwurf zu machen, meinte Wohlfahrt. Meischberger habe auch ein schlüssiges Konzept unterbreitet.

“Mastermind” Meischberger

Meischberger sei in der Folge keinesfalls ein “Mastermind” gewesen, sondern nur Teil der Strategiegruppe bei Hochegger. Für Gespräche mit Regierungsvertretern und politischen Entscheidungsträgern wiederum soll laut Wohlfahrt Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer zuständig gewesen sein – das sei so vereinbart gewesen, weil die Telekom beste Kontakte gehabt habe. Er selbst habe dazu keine Gespräche mit Politikern geführt. Er schloss auch “zu 100 Prozent” aus, dass es Zahlungen der Novomatic an Peter Westenthaler oder das BZÖ gegeben habe.

Wenig ergiebig ist dann die Befragung von Stefan Tweraser, einem ehemaligen Marketing-Mitarbeiter der Telekom Austria, ausgefallen. Er erklärte den Abgeordneten beharrlich, dass er lediglich für ein Projekt mit Novomatic über Sportwetten zuständig und in weitere Dinge, für die es gesetzliche Änderungen gebraucht hätte, gar nicht eingebunden gewesen sei.(APA; Red.)

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