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Casper in Wien als atemloser Einpeitscher: Deutscher Rapper kam spät auf Touren

Casper gab sich in Wien die Ehre
Casper gab sich in Wien die Ehre ©APA (Sujet)
Auf der Suche nach Bestätigung zeigte sich Casper, der am Dienstagabend die Wiener Stadthalle beehrte. Rund 5.000 Fans ließen sich die kraftvolle Show des deutschen Rappers nicht entgehen, bei der auch einiges an Interaktion gefragt war.
Wien-Konzert verschoben

“Alle Hände, alle!” Wieder hechtete der deutsche Rapper Casper über die Bühne, pushte sein Publikum bis ans Äußerste, suchte den Weg zum Limit. Es waren erst wenige Minuten bei seinem Konzert in der Wiener Stadthalle Dienstagabend vergangen, und doch bemerkte man: Hier steht einer im Rampenlicht, der das Maximum will. Zünden konnte der Funke aber erst später – quasi ein Spiegelbild seines Jahres.

Casper aka Benjamin Griffey rappte in Wien

Denn obwohl sich Benjamin Griffey, wie der Musiker mit dem freundlichen Namen eigentlich heißt, nicht beschweren kann – seit seiner Durchbruchsplatte “XOXO” im Jahr 2011 ist er auf die Chartspitze gebucht, sind die Konzerte meist ausverkauft -, waren die vergangenen Monate nicht gerade einfach. Sein neuester Wurf “Lang lebe der Tod” hätte eigentlich bereits vor einem Jahr erscheinen sollen, die großen Hallenkonzerte waren schon angekündigt. Und dann? Rückzug, verschieben, alles überarbeiten. Casper war noch nicht so weit.

Anfang September ist das Album schließlich erschienen, überzeugte Fans (und auch viele Kritiker) mit einer zurückgewonnenen Kantigkeit, die das eher poppige “Hinterland” zuletzt vermissen ließ. Auch live war dies zu bemerken: Begleitet von fünf Bandkollegen und auf einer überdimensionalen, schiefen Rampe langsam im stärker werdenden Licht erscheinend, gab es von Anfang an das Wechseln zwischen den für Casper mittlerweile stilprägenden Polen Indie und Pop. Die gereckte Faust und das Peace-Zeichen stehen sich hier gewissermaßen gleichberechtigt gegenüber.

Casper suchte in der Stadthalle das Bad in der Menge

Zu Beginn gelang das aber leider ziemlich klinisch, hatte man zwar ständig den sauberen Studioklang im Ohr, nur wollte sich das richtige Gefühl nicht einstellen. Erst als Casper das druckvolle, tief in den Techno vordringende “Sirenen” auf einer über der Bühne schwebenden Plattform performte, begann diese Maschine reibungsloser zu funktionieren. Etliche Glanztaten von “XOXO” sorgten in der Folge für ebenso melancholische Momente (“Michael X” in ungewohntem Arrangement) wie sie die ganze Hütte zum Ausrasten brachten (“Blut sehen”).

Hier war er dann ganz nah dran an seinen (größtenteils sehr jungen) Fans: Casper suchte nämlich das Bad in der Menge und gab einige Songs auf einem kleinen Podest im hinteren Bereich der Halle zum Besten, ohne den visuellen Schnickschnack, ohne dieses Sicherheitsnetz. Man fühlte sich erinnert an jene Zeiten, als der mit Hardcore-Wurzeln ausgestattete Rapper in der rappelvollen Szene Wien vor nur einigen hundert Leuten den Schweiß von der Decke tropfen ließ – dank unbändiger Energie, dank ehrlicher Aufopferung, dank einer sattelfesten Darbietung.

Kreischorgien und Frontalunterricht für rund 5.000 Wissbegierige

Auch aktuell kann man Casper den Willen nicht absprechen. Stimmige Videoeinspielungen, eine aufwendige Lichtshow mit sich hebenden und senkenden Elementen, ein für die Stadthalle geradezu glasklarer Sound – die Zutaten waren vorhanden. Aber es war dann oft doch eher Frontalunterricht für die rund 5.000 Wissbegierigen, die jeden neuen Song mit einer Kreischorgie und Handyflimmern quittierten. Vielleicht waren aber auch die Erwartungen zu hoch – nicht von ungefähr der Verschiebung von Album und Tour geschuldet.

Ein Jahr zusätzlich Zeit zum Arbeiten, da muss das Ergebnis doch einschlagen wie eine Bombe, oder? Immerhin versucht Casper – in allen Bereichen seines kreativen Ausdrucks – den nächsten Schritt zu gehen, ohne Anhänger vor den Kopf zu stoßen. Es ist irgendwie die Suche nach Bestätigung – der Bestätigung des Hypes, der ihn vor rund sechs Jahren zum neuen Helden des Deutschraps gemacht hat; der Bestätigung, dass er auch die ganz großen Shows locker abspulen kann; und der Bestätigung, dass dieser Weg noch nicht zu Ende ist. Ganz ist ihm das gestern zwar nicht gelungen, aber die Richtung scheint zu stimmen.

(apa/red)

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