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Bücherlos durch die Nacht

©Gebrüder Moped & Pixabay
Gastbeitrag der Gebrüder Moped: Ja, unsere Enkelkinder werden sich auf den Kopf greifen. Sie werden uns gegenüber treten und uns mit durchaus unangenehmen Fragen konfrontieren. Wie elend muss bitte das Leben im Wien der 10er Jahre gewesen sein?

Man kennt das ja, man kommt sturzbetrunken um drei Uhr früh von der Party nachhause und schmeißt seinen klebrigen Körper mit letzter Kraft auf die Couch. Und jetzt? Was nun?

Tankstelle als Rettungsanker

Gut, mein Kleiner, das mit dem allerletzten Bier und der Gute-Nacht-Zigarette hat selbst in grauer Vorzeit für uns keine Probleme dargestellt. Es gab damals in Wien schließlich noch Tankstellen. Die waren erfreulicherweise auch in der Nacht zugänglich und allesamt darauf ausgerichtet, uns umfassend zu versorgen. Weißt du, es gab einmal eine Zeit, da war die Südosttangente noch keine Begegnungszone. Wir brauchten Benzin zum Leben. Und Schokoriegel und gefüllte Weckerl und Red Bull. Aber: Wir hatten unsere 24-Stunden-Tankstellen. Wir hatten alles was wir brauchten.

Bock auf Buch

Und das soll’s dann gewesen sein? Eine Horrorvorstellung für die Kids der Zukunft. Gähnende Langeweile, unvorstellbar aus heutiger Sicht. Du verendest um drei Uhr früh alleine auf der Couch, am Ende noch Internetausfall und Fernseher gibt’s schon lange nicht mehr. Was, wenn du ausgerechnet dann spontan Bock auf ein gutes Buch bekommst? Einen Klassiker, einen guten, alten Schinken, etwa “Die Leiden des jungen Werther” oder “Didi, der Doppelgänger (Das Buch zum Film)”? Man hat schließlich nicht jedes Meisterwerk daheim vorrätig. Ihr habt euch damals tatsächlich nicht um halb vier – mit dem letzten Seidl intus – noch einmal in die Bibliothek schleppen und euch dort mit anderem Partyvolk über Neuheiten der Literatur unterhalten können? Nein, mein Lieber, Bibliotheken hatten damals in der Nacht geschlossen. Unfuckingfassbar!

ÖVP macht’s wieder gut

Doch das sollte sich bald ändern. Die Wiener ÖVP, eine agile Splittergruppe am politischen Parkett der Bundeshauptstadt, fordert dieser Tage den 24-Stundenbetrieb vereinzelter Bibliotheken. Ein bahnbrechender Schritt in eine lesenswerte Zukunft. Und falls jemand an der Sinnhaftigkeit dieses Vorhabens zweifelt: Zur Not können die Büchereien ja auch ihr Angebot erweitern. Mit gefüllten Weckerln oder Schokoriegeln oder Red Bull zum Beispiel.

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