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Blutsauger mit Gewissen: „Vampyr“ im Test

Der Ländle Gamer wetzt die Fangzähne und macht sich in einem Action-Rollenspiel mit Biss und Gefühl auf die übersinnliche Jagd.
"Vampyr "

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(PC, PS4 & Xbox One) Vampir-Games sind selten geworden – das nächste „Castlevania“ („Grimoire of Souls“ für iOs) lässt ebenfalls auf sich warten. Da kommt „Vampyr“ genau zur richtigen Zeit: Der Mix aus 3rd-Person-Action und Rollenspiel versetzt Spieler in die Rolle eines blutsaugenden Arztes. Zwar gibt‘s kein besonders komplexes Kampfsystem, dafür in Sachen Story ungewohnte Tiefe, viel Emotion und so manchen moralischen Konflikt.

Von den französischen Entwicklern Dontnod Entertainment ist grundsätzlich viel zu erwarten, aus diesem Haus stammt beispielsweise das gelungene „Life is strange“. In „Vampyr“ steckt ebenfalls die von Dontnod gewohnt charmante Liebe zum Detail – das betrifft die Welt, die Geschichte, aber vor allem die Charaktere.

Spieler schlüpfen in die Rolle des (Anti-)Helden Dr. Jonathan Reid, ein Arzt und frisch von den Toten zurückgekehrter Vampir. Wir schreiben das Jahr 1918: In London grassiert eine Epidemie, dazu streifen Monster (menschliche und tatsächliche) durch die dunklen Gassen.

Die Aufmachung erinnert an Games wie „The Witcher“, mit Einflüssen von„Dishonored“: In der kleinen, aber fein gestalteten, verwinkelten Spielwelt unterhalten wir uns mit der Bevölkerung (oder saugen sie leer), führen Aufträge aus und leveln unseren Charakter auf, während wir die emotional packende Geschichte unseres Dr. Draculas durchleben. Dabei treffen wir auf vielfältige Gegner, menschliche, aber vor allem übersinnliche wie Werwölfe oder Untote. Diese bezwingen wir mit einer Mischung aus Fern- oder Nahkampfwaffen sowie unseren ausbaubaren Vampirfähigkeiten (wir können Opfer hypnotisieren, betäuben oder für einen Enegergie-Boost etwas anknabbern). Das Kampfsystem ist flott, simpel und fordert schnelle Reflexe beim Ausweichen mittels Teleport. Für die Fights allein wird man „Vampyr“ allerdings nicht (ewig) spielen, hat das System zu wenig Finesse, um längerfristig zu begeistern.
Dafür entschädigt der Rest des Gameplay durchaus. Der blutsaugende Doc ist ein echtes Multitalent: Er kann Tatorte analysieren, am Arbeitstisch Seren herstellen und Waffen basteln. Im Stil von „Assassin’s Creed“ spioniert man erst seine Missions-Opfer aus und/oder manipuliert sie, bevor man zuschlägt/-beißt.

Ein schöner Reizfaktor ist die moralische Komponente, von der fast etwas mehr Einsatz wünschenswert gewesen wäre. Denn: Unser Blutsauger kann den Menschen helfen – oder sich selbst. Diese Entscheidung für Leben oder Tod, also für Gut oder Böse, ist im Game immer wieder zu treffen und hat weitreichende Auswirkungen auf den Spielverlauf. Beispielsweise kann man andere Charaktere statt sie auszufragen einfach als kleinen Snack für Zwischendurch verwenden – gewinnt Lebenskraft, verliert aber die Optionen (Quests, Infos, etc.), die sie vielleicht eröffnet hätten.

Fazit: Trotz kleinerer Schwächen (vor allem im Kampfsystem) kann „Vampyr“ jedem zockendem Untoten-Fan ans Herz gelegt werden: Das stimmige Szenario, die sehr persönliche Welt mit unzähligen Nebenfiguren und vor allem die mitreißend emotionale Reise des Doktors dank vielfältiger Spielentscheidungen zieht Gamer unweigerlich tief ins Geschehen. Kurz gesagt, in den dunklen Gassen Londons kann man sich gerne stundenlang verlieren. Wer jetzt noch zweifelt: Zumindest eine Chance geben und einmal anspielen!

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