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"Blau ist die Nacht" von Eoin McNamee: Vielschichtiger Noir-Krimi aus Nordirland

Autor McNamee schrieb ein packendes Gerichtsdrama, das auch als Psychogramm gelesen werden kann
Autor McNamee schrieb ein packendes Gerichtsdrama, das auch als Psychogramm gelesen werden kann ©Faber & Faber / dtv
Paranoia, Karrieregeilheit, unerfüllte Sehnsüchte, zerrüttete Familien und dunkle Geheimnisse - Eoin McNamee hat mit seinem neuen Buch einen klassischen Krimi-Noir abgeliefert. Nur spielt der nicht in LA, sondern in Belfast. "Blau ist die Nacht" ist unser Buch-Tipp der Woche.

Ein Mörder, der aus politischen Gründen nicht verurteilt werden soll, ein ungeklärtes Verbrechen an der Tochter des Mannes, der ihn dennoch am Galgen baumeln sehen will, … Dem irischen Autor McNamee ist ein sprachlich wie inhaltlich starker Roman gelungen, der Fakten mit Fiktion vermischt.

Düsterer Krimi um zwei Frauenmorde: “Blau ist die Nacht”

Um zwei Frauenmorde erzählt er atmosphärisch dicht in wechselnden Perspektiven und Zeitenfolgen, stets schlüssig und dennoch mit viel Raum für Interpretationen, seine dunkle Geschichte. Diese basiert auf wahren Begebenheiten: Robert Taylor, der Maler, hat im Jahr 1949 eine Katholikin umgebracht, daran besteht kein Zweifel. Doch im protestantischen Nordirland würde seine Verurteilung einen Aufruhr verursachen.

Jahre nach dem Prozess wird die Tochter des damaligen Anklägers Lancelot Curran ermordet. Vieles deutet darauf hin, dass die Mutter, mittlerweile eingewiesen in eine Nervenheilanstalt und von offensichtlich gespaltener Persönlichkeit, für dieses Verbrechen verantwortlich sein könnte. In der realen Welt wurde der Mord an der lebenslustigen Patricia nie geklärt. “Das hat mich gefesselt”, sagte McNamee in einem Interview mit dem “Belfast Telegraph”. In seinem Buch schickt der Autor den windigen Harry Ferguson, einst rechte Hand von Curran, das Rätsel zu lösen. Oder sind seine Erkenntnisse auch nur trug?

Keine eindeutige Hauptperson im Buch von Eoin McNamee

McNamee verzichtet auf eine eindeutige Hauptperson. Die vielen, sehr facettenreich und tiefgründig gezeichneten Charaktere und deren zusammenwirken in einer politisch heiklen, verklemmten Gesellschaft machen einen Reiz seines Romans aus. Alle Figuren haben ihre Schattenseite, auch die scheinbar guten. Jene, die Unrecht getan haben, suchen Erlösung – wie etwa Ferguson, Handlanger der Politik, der sich zu Patricia und ihrem “leichten Leben” hingezogen fühlt(e) und deshalb wissen will, was in jener verregneten Mordnacht wirklich geschah. “Sie sind wie ein Hund, der sich noch mal an seinem Erbrochenen zu schaffen macht”, muss er sich vorwerfen lassen.

“Blau ist die Nacht” funktioniert auf mehreren Ebenen: etwa als packendes Gerichtsdrama, als spannender Krimi, als Dokument dysfunktionalen Familienbanden, als Bericht über mächtige Männer, die Fäden ziehen, und deren Frauen, die sich nicht mehr mit der ihnen vorgesehenen Rolle im Patriarchat zufriedengeben, und – wie “The Guardian” in seiner Besprechung anmerkte – um den “pathologischen Zwang des Menschen, sein wahres Ich vor sich selbst zu verbergen”. Letztendlich hat jede Handlung Konsequenzen, wie Ferguson am Ende erschüttert feststellen muss.

Eoin McNamee, “Blau ist die Nacht”, übersetzt von Gregor Runge, Verlag dtv, Taschenbuch, 272 Seiten, 17,40 Euro

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(apa/red)

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