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Beate Meinl-Reisinger zur Wien-Wahl: "Kann mir Dreier-Koalition vorstellen"

Beate Meinl-Reisinger, NEOS-Spitzenkandidatin für die bevorstehende Wien-Wahl, beim Interview
Beate Meinl-Reisinger, NEOS-Spitzenkandidatin für die bevorstehende Wien-Wahl, beim Interview ©APA
Falls die NEOS im Herbst den Einzug in den Wiener Landtag schaffen, wären sie für eine Dreier-Koalition durchaus bereit. "Mir geht's darum, dass ich klare Forderungen habe, und wenn diese Inhalte unterstützt werden, kann ich mir das vorstellen", sagte Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger.
NEOS präsentieren Kandidatin
Interview mit Meinl-Reisinger

Dem Nationalrat werde sie jedenfalls “ohne Rückkehrticket” Adieu sagen. Ob sie eine Kooperation mit Rot-Grün oder Rot-Schwarz präferieren würde, ließ die Wiener NEOS-Chefin offen.

Beate Meinl-Reisinger über Koalitions-Optionen

Fix sei nur: Mit der FPÖ werde man nicht regieren. Und man werde Bedingungen stellen, sollte es zur Koalitionsfrage kommen – vor allem “bei diesem aufgeblähten Politsystem einzusparen, um das Geld in die Bildung zu stecken”. Gemeint sind damit etwa die Halbierung des Gemeinderats und Landtags von 100 auf 50 Mandatare sowie die Abschaffung nicht-amtsführender Stadträte und stellvertretender Bezirksvorsteher.

Falls die jetzige Regelung bestehen bleibt, wollen die Pinken diese Ämter – auch wenn sie ihnen zustünden – nicht besetzen, versprach Meinl-Reisinger: “Sollte es keine Regierungsbeteiligung der NEOS geben, werden wir auf den Job des nicht-amtsführenden Stadtrats verzichten.” Dasselbe gilt für den stellvertretenden Bezirksvorsteher: “Also selbst in den Bezirken, wo wir zweitstärkste Kraft werden, werden wir diesen Job nicht annehmen.”

Optimismus: “Wien ist eine Riesenchance”

Was das Wahlziel am 11. Oktober anbelangt, wollte sich die Spitzenkandidatin – vor einem Jahr hielt sie ein zweistelliges Ergebnis für “realistisch” – diesmal prozentuell nicht festlegen. “Wir wollen so stark werden, dass wir ein echtes Zeichen für Veränderung in Wien setzen und Forderungen, die wir haben, auch umsetzen können”, sagte sie. Man sei in allen Bezirken gut aufgestellt, im Wahlkampftopf liegen noch rund 700.000 Euro. Dass man unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben und damit den Einzug in den Landtag – wie zuvor im Burgenland und der Steiermark – verpassen könnte, will Meinl-Reisinger gar nicht in Erwägung ziehen: “Es wird auf jeden Fall klappen. Wien ist eine Riesenchance. Ich bin mehr als optimistisch.”

NEOS-Spitzenkandidatin kehrt Nationalrat den Rücken

Wie dem auch sei – die pinke Spitzenkandidatin wird dem Nationalrat jedenfalls für die Kommunalpolitik den Rücken kehren, und das unwiderruflich: “Ich werde auf jeden Fall das Parlament noch vor dem Wahltag verlassen – ohne Rückkehrticket.” Sprich: Falls es mit dem Sprung ins Wiener Rathaus doch nichts wird, ist das Hohe Haus kein Plan B.

Im Wahlkampf will man den derzeitigen “hohen Aktivitätslevel” beibehalten, sich inhaltlich weiterhin auf das Kernthema Bildung konzentrieren und viel ins Gespräch mit – nicht zuletzt politikverdrossenen – Bürgern kommen. “Wir wollen die Stimme derjenigen sein, die sagen: ‘Wir halten das nicht mehr aus. Das ist völlig abgehoben und bürgerfern.'” Für die Pinken geht es auch darum zu erklären, warum die FPÖ keine Alternative zum Status quo ist. “Es gibt zwei Parteien in Wien, die für Veränderung stehen – die FPÖ und uns. Und man muss die Frage schon stellen: Warum die FPÖ?” Denn diese sei schon sehr lange Teil des politischen Establishments.

“Ich stehe für Veränderung, aber ohne Strache”

“Mein allererster Eindruck von der Wiener Kommunalpolitik war ein Slogan der FPÖ aus dem Jahr 1991 : ‘Wien darf nicht Chicago werden'”, erinnerte sich Meinl-Reisinger: “Bei dieser Wahl kam der Herr Strache in die Bezirksvertretung Landstraße und ist seitdem in der Politik. Er ist seit 24 Jahren in der Politik, aber wo sind seine Lösungen? Ich stehe für Veränderung, aber ohne Strache.”

Vor allem von der SPÖ wurde den NEOS einige Male das Image der Privatisierer umgehängt. Wollen die Pinken nun Gemeindewohnungen verkaufen? “Nein, dafür bin ich nicht. Aber: Wer mehr verdient, soll dafür auch mehr zahlen”, plädierte Meinl-Reisinger für regelmäßige Gehalts-Checks – denn: “Ich sehe nicht ein, warum zum Beispiel Nationalratsabgeordnete im Gemeindebau wohnen können und sich alleinerziehende Mütter anstellen müssen. Das ist einfach nicht fair. Punkt! Aus!”

(Das Interview führte Thomas Rieder/APA)

Pinke Pionierin mit schwarzer Vergangenheit

“Ich habe die Schnauze voll gehabt”: So erklärte Beate Meinl-Reisinger im Jänner 2013 ihren Bruch mit der etablierten Politik – in diesem Fall der ÖVP – und ihre Kandidatur für die damals noch neue Partei NEOS. Inzwischen selbst im Parlament, führt die 37-Jährige derzeit u.a. gegen “g’stopfte Politiker” Wahlkampf. Als Spitzenkandidatin will sie die Pinken im Herbst in den Wiener Landtag bringen.Meinl-Reisinger gehört gewissermaßen zum Gründungsteam der NEOS, wobei sie ursprünglich nur im Hintergrund arbeiten wollte. Den Entschluss für eine Kandidatur bei der Nationalratswahl 2013, wo sie auf der Bundesliste schließlich den dritten Platz ergatterte, fasste sie erst mit dem Näherrücken des Urnengangs.

Werdegang von Meinl-Reisinger

Die studierte Juristin und nunmehrige stellvertretende NEOS-Bundesparteivorsitzende war – wie ihr Chef Matthias Strolz – jahrelang im schwarzen Lager politisch beheimatet. Nach einem Traineeprogramm in der Wirtschaftskammer werkte sie ab 2005 als Assistentin für den EU-Abgeordneten Othmar Karas (ÖVP) in Brüssel. Nach einem erneuten WK-Intermezzo wechselte sie 2007 als Referentin zur damaligen Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP).

Als diese 2009 nicht allzu freiwillig die Nachfolge des bisherigen Landesparteichefs Johannes Hahn, der als Regionalkommissar nach Brüssel übersiedelt war, antrat, folgte ihr Meinl-Reisinger ins Rathaus. Obwohl nicht Teil des Strategieteams, erlebte die Weggefährtin dort den parteiintern durchaus umstrittenen Wahlkampf Mareks für die Landtagswahl 2010 hautnah mit. Und auch die loyale Referentin war mit dem ausbaldowerten Law-and-Order-Kurs für die eigentlich als liberal geltende Ex-Staatssekretärin und den “Geilomobil”-Touren des damaligen JVP-Chefs Sebastian Kurz alles andere als glücklich.

Meinl-Reisinger und die ÖVP

Als sie einmal laut anmerkte, dass nicht zuletzt deshalb niemand aus ihrem Freundeskreis die Wiener ÖVP wähle, bekam sie zur Antwort, dass sie halt nur liberale Freunde habe. Ziemlich zeitgleich mit Mareks kommunalpolitischer (Selbst-)Demontage bzw. ihrer Rückkehr ins Parlament 2012 kehrte Meinl-Reisinger, inzwischen Mutter von zwei Töchtern, den Schwarzen schließlich den Rücken.

Meinl-Reisinger – sie lebt im Bezirk Alsergrund – selbst hat nie zum erzkonservativen Lager der Volkspartei gehört. So wollte sie nach dem historisch schlechtesten schwarzen Wahlergebnis und dem Korb der SPÖ in Sachen Stadtkoalition der Rathaus-ÖVP zu einer Reform in Richtung urbane Aufgeschlossenheit verhelfen und konzipierte die – von der Parteispitze eher lieblos beäugte – “Agenda Wien plus” mit.

Begründung der Initiative Schwarz-Grün

Schon Jahre zuvor, 2002, hatte sie die Initiative Schwarz-Grün mitbegründet, die sich für eine entsprechende Koalition im Bund stark machte. Bereits die Anfänge der Öko-Bewegung hatte Meinl-Reisinger, am 25. April 1978 als Tochter bürgerlicher und politisch äußerst interessierter Eltern in Wien geboren, miterlebt. Ihr Vater arbeitete als Spitalsarzt in Hainburg und versorgte zudem verletzte Aubesetzer vor Ort. Als prägende Kindheitserinnerungen bzw. wichtige Momente ihrer politischen Sozialisierung nennt sie außerdem den Mauerfall und das Haider’sche Anti-Ausländer-Volksbegehren und vor allem das dagegen initiierte Lichtermeer.

Seit Herbst 2013 agiert Meinl-Reisinger, die lange auch der Schauspielerei zugetan war, selbst im Scheinwerferlicht der politischen Bühne. Als Nationalratsabgeordnete werkt sie als pinke Justiz-, Familien- und Kultursprecherin, außerdem ist sie hinter Matthias Strolz Vizeparteichefin. Ende April 2014 wurde sie außerdem zur Landessprecherin der Wiener NEOS gekürt. Als solche will sie den Einzug in den Landtag und Gemeinderat schaffen. Um ja nichts anbrennen zu lassen, hat die pinke Truppe bereits Mitte Juni ihren offiziellen Wahlkampfstart verkündet. Die erste Plakatwelle richtet sich dabei auch gegen den eigenen Berufsstand. Meinl-Reisinger will mit dem Slogan “G’scheite Kinder statt g’stopfte Politiker” punkten.

>>Alles zur Wien-Wahl 2015

(apa/red)

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