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BAWAG-Geiselnehmer: "Wollte, dass mi wer ernst nimmt"

Der 40-jährige Wiener, der am 27. Februar 2007 in einer BAWAG-Filiale in der Mariahilfer Straße mit einer Pistolenattrappe sechs Bankangestellte stundenlang als Geiseln festgehalten hatte, hat am Mittwoch in seinem Prozess im Straflandesgericht ein umfassendes Geständnis abgelegt.   

Er habe in der Bank „Hilfe gesucht“ und „mit jemandem reden wollen“, gab er zu Protokoll. Dass er sich dazu einer auf den ersten Blick einer täuschend echt aussehenden Schusswaffe bediente, erklärte er mit: „Ich wollte, dass mi wer ernst nimmt.“

Vor zehn Jahren war der Maler und Anstreicher von seiner Freundin verlassen worden, was er offenbar bis zum heutigen Tag nicht so recht verkraftet hat. Er sei immer mehr in Depressionen gestürzt, seine auf Fußballwetten konzentrierte Spielsucht habe sich verstärkt, erzählte er dem Schwurgericht (Vorsitz: Minou Factor). 2005 habe er zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen. Im Otto-Wagner-Spital sei er nach dem zweiten Selbstmordversuch „drei oder vier Stunden“ behandelt worden. Da hätte er erkennt, dass fachärztlicher Beistand nicht hilfreich sei: „Du kommst hin, der Arzt hat fünf Minuten Zeit, des is’ a ka Lösung.“

Nach einem allein verbrachten Weihnachtsfest und einem Jahreswechsel in Moll habe ihn endgültig der Lebensmut verlassen, berichtete der Angeklagte. Er sei daher entschlossen gewesen, mit einem Stanleymesser in seinem Keller „Schluss zu machen“. Zuvor traf er sich allerdings noch mit seinem Bruder – seiner wesentlichen Bezugsperson – in einem Lokal auf mehrere Bier und einige Runden Schnaps, nachdem er sein gesamtes noch vorhandenes Vermögen von rund 750 Euro behoben hatte.

Anschließend begab sich der 40-Jährige in ein Bordell, wo er das restliche Geld ausgab: „Für mi war das a Abschied.“ Gegen 10.00 Uhr Vormittag machte er sich nach einer schlaflosen Nacht auf den Heimweg, stärkte sich in einem Schnellimbiss-Restaurant und kam dann an der BAWAG-Filiale vorbei, die Schauplatz des weiteren Geschehens werden sollte.

Der Mann trat ein, ließ die Angestellten die Eingangstür absperren, bedrohte sie mit der vermeintlich scharfen Waffe – in Wahrheit ein Feuerzeug – , die er fünf Minuten zuvor „in irgendeinem Geschäft“ gekauft hatte.

Er habe damit Eindruck schinden wollen, „weil reden kann i net“, erläuterte der Angeklagte. Die Bankangestellten habe er gleich wissen lassen, dass er nur mit ihnen reden wolle und dass ihnen nichts passiere, betonte er. Dass sich diese dennoch fürchteten, war ihm klar. „A Angst haben’s sicher g’habt, gell“, räumte er auf eine entsprechende Frage der Richterin ein.

Aus seiner Sicht habe sein Vorgehen Sinn gemacht: „Für mi war’s okay, so wie i mi unterhalten hab’“. Staatsanwältin Gabriele Mucha sah das anders: „Es hat keine Gruppentherapie auf freiwilliger Basis stattgefunden! Man kann das nicht verharmlosen! Das war kein operettenhafter Auftritt des Angeklagten!“ Die Geiselnahme habe vielmehr zu einem „gigantischen Polizeieinsatz“ geführt, mehrfach hätten sich während der rund fünf Stunden, die diese andauerte, brenzlige Situationen ergeben.

Neben erpresserischer Entführung lastet die Anklägerin dem 40-Jährigen Freiheitsentziehung und Nötigung an. Sollte er in sämtlichen Anklagepunkten schuldig erkannt werden, drohen dem zehnfach vorbestraften Mann, der allerdings in den vergangenen zehn Jahren eine „weiße Weste“ und durchgehend gearbeitet hatte, zehn bis 20 Jahre Haft.

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