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Barrierefrei studieren: Projekt "GESTU" für Gehörlose auf Unis wird verlängert

Helene Jarmer ist die einzige gehörlose Abgeordnete - für viele Betroffene ist das Studium eine große Hürde
Helene Jarmer ist die einzige gehörlose Abgeordnete - für viele Betroffene ist das Studium eine große Hürde ©APA/ROBERT JAEGER
"GESTU", das Uni-Projekt für gehörloses Studieren, soll zumindest in Wien bis 2015 verlängert werden. Nach wie vor gibt es an den heimischen Universitäten zahlreiche Hindernisse für Gehörlose – das Projekt geht dagegen an.

“Eine große Plage” – so beschreibt Alexander Karla-Hager vom Verein Österreichischer Gehörloser Studierender (VÖGS) das Studium für Gehörlose in Österreich. Mit dem Start von GESTU (Gehörlos Studieren) 2010 hat sich die Situation zumindest in Wien gebessert: Über eine Servicestelle werden Gebärdendolmetscher für Vorlesungen organisiert und Studenten als Tutoren angeworben, die dann für ihre gehörlosen Kollegen mitschreiben und mit den Lehrenden Kontakt halten. Das Pilotprojekt ist mit Juni ausgelaufen, nun soll GESTU bis 2015 verlängert werden, so Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Ausdehnung von GESTU auf ganz Österreich

Insgesamt gibt es in Österreich derzeit rund 30 gehörlose Studenten. Im Wintersemester 2011/12 haben 14 Studenten an GESTU teilgenommen, zwölf von ihnen an der Uni Wien. Nur fünf bis zehn der gehörlosen Studenten studieren außerhalb von Wien – “wegen der größeren Barrieren” in den Bundesländern, wie Karla-Hager betont. Er wünscht sich deshalb eine Ausweitung des Projekts für Gehrlöse, das nach Vorbild schwedischer Initiativen entwickelt und nun adaptiert wurde, auf ganz Österreich und eine dauerhafte Etablierung des Projekts.

Für Töchterle ist das prinzipiell denkbar: Wenn eine Vernetzung mit anderorts bestehenden Projekten konkrete Verbesserungen bringen würde, “kann man darüber nachdenken”. Er betonte, dass die Unis sich der “sehr anspruchsvollen Aufgabe” stellen würden, das Studium für gehörlose bzw. behinderte Studenten generell barrierefrei oder zumindest barrierearm zu gestalten, damit ein Studium in annehmbarer Zeit möglich wird. “Die Universitäten sind nicht am Ziel, aber sie sind auf dem Weg.”

Studiendauer lag bei bis zu 20 Jahren

Vor Beginn von GESTU habe es nur wenige gehörlose Hochschulabsolventen gegeben, berichtete Psychologin Barbara Hager. Die Studiendauer lag bei bis zu 20 Jahren. So konnte sie selbst vor GESTU nur bei einer Lehrveranstaltung pro Woche einen Dolmetscher mitbringen, obwohl die Gebärdensprache die Muttersprache der Gehörlosen und seit 2005 auch in der Verfassung verankert sei. Für sie ist trotz GESTU noch immer genug zu tun: So gebe es in Wien keinen Lehrstuhl zu Gebärdensprache und an den PH können Gehörlose wegen der per Gesetz vorgeschriebenen “körperlichen Eignung” nur als außerordentliche Studenten zugelassen werden.

Die Organisation von GESTU läuft über eine Servicestelle an der Technischen Uni (TU) Wien, die Dolmetscher oder Tutoren bzw. in manchen Fällen auch technische Hilfsmittel vermittelt. Weitere Aufgabe ist die Information der Lehrenden. Das Resümee der TU Wien nach zwei Jahren Modellversuch fällt sehr positiv aus: Es seien “ganz wesentliche Verbesserungen im Studienablauf” zu beobachten, so der Vizerektor für Lehre, Adalbert Prechtl.

Teures Projekt

Insgesamt ist das Projekt laut Prechtl nicht billig: Nimmt man an, dass zwölf gehörlose und vier schwerhörige Studenten betreut werden, kostet GESTU 250.000 Euro pro Semester. Aus Sicht der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) ist GESTU “nur ein erster Schritt”. Es brauche “viele weitere derartige Projekte mit einer langfristigen Finanzierungszusage, einem bundesweiten und flächendeckenden Ausbau an Servicestellen, sowie auch die entsprechende notwendige technische Ausstattung der Lehrveranstaltungen”.

Auch die Grünen fordern die Übernahme von GESTU in den Regelbetrieb an allen Unis. Dort müssten Gebärdensprachdolmetscher und Mitschreibkräfte angestellt werden. Es müsse zudem eine Studienrichtung “Gebärdensprache” und Ausbildungen zur Gebärdensprachdolmetscher an den Fachhochschulen geschaffen werden, um mehr Dolmetscher für Gehörlose zur Verfügung zu haben.

(apa/red)

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