AA

Barrierefrei durchs Leben

Menschengerechtes Bauen bedeutet mehr Lebenskomfort, auch frühzeitiges Planen.

BREGENZ Unnötige Schwellen, enge Sanitäranlagen, rutschige Böden, falsch platzierte Lichtschalter – die Hürden, die so mancher Häuslebauer unbewusst in sein neues Zuhause einbaut, kann im Alltag schnell zu belastenden Details werden. Doch wie kann es gelingen, das Haus, die Wohnung so zu gestalten, dass es so gut als möglich barrierefrei zugänglich bzw. handlich ist. Fit & Gesund sprach mit Werner Kündig, Verantwortlicher für menschengerechtes Bauen beim Institut für Sozialdienste, über Definition, Planung, Maßnahmen und mehr.

Gebaut wird meist in jungen Jahren. Barrierefreiheit ist dabei ein Thema, das mit Alter gleichgesetzt wird. Wie definiert der Fachmann diesen Begriff?
KÜNDIG Die meisten Menschen gehen davon aus, dass sie immer jung, gesund und stark bleiben. Nach einer Krankheit, nach einem Unfall oder infolge des Älterwerdens nicht mehr oder deutlich vermindert in der Lage zu sein, den Alltag zu bewerkstelligen, trifft immer andere. Mit dem eigenen Leben hat das nichts zu tun, so glauben viele.

Und dennoch sind von dieser Situation immer wieder Menschen betroffen, von heute auf morgen. Möglichst weitgehende Barrierefreiheit im Zusammenhang mit Wohnen ist dabei individuell zu betrachten. Es bedeutet, sich so viel Bewegungsfreiheit in den eigenen vier Wänden zu schaffen, wie es nur möglich ist. Barrierefreiheit bedeutet Komfort und Freude am Wohnen; insbesonders aber, Im Alter, nach Unfall oder bei Krankheit weiterhin zuhause bleiben zu können. Barrierefreiheit heißt vor allem eines, an die Zukunft denken.

Was sehen Sie als ersten Schritt zur Barrierefreiheit?
KÜNDIG Frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema „Barrierefreies Wohnen“ ist der Schlüssel zu einer zufriedenstellenden Wohnsituation. Die Vorteile einer möglichst barrierefreien Wohnung werden zunehmend auch von jungen Menschen bzw. Familien entdeckt. Dies deshalb, weil solche Wohnbauten dank einer bewussten Planung generell mehr Komfort und Flexibilität einschließen. Es ist eine Tatsache dass eine barrierefreie Wohnung für ca.35 Prozent aller Menschen notwendig, aber für 100 Prozent komfortabel und erleichternd ist.

Selbständigkeit im Alter, Wohnen in der vertrauten Umgebung nach einem Unfall oder Krankheit, ist ein zentraler Wert unserer Gesellschaft. Damit dies gut gelingen kann, gilt es, einige grundsätzliche Überlegungen anzustellen. Das Ergebnis einer bedarfsgerechten Planung – unter Berücksichtigung der Finanzierung sowie der Möglichkeit der Nutzung unterstützender Dienstleistungen – soll Entscheidungsgrundlage sein, neue Wohnräume zu schaffen, bzw. die bestehende Wohnung den neuen Lebensumständen entsprechend zu adaptieren.

Können Sie einfache Maßnahmen benennen, die den Wohnbereich bequemer, sicherer und vor allem praktischer werden lassen?
KÜNDIG Zu den grundlegendsten Dingen zählen: Stolperfallen entfernen, möglichst stufenlose und schwellenfreie Ausführung der Wohnfläche – Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Sanitärraum auf einer Wohnebene, Türbreiten von mindestens 80 cm schaffen, Sanitärraum mit WC, stufenloser Dusche, unterfahrbarem Waschbecken, Badewanne nur in Ausnahmefällen, großzügige Beleuchtung sowie Haus- bzw. Wohnungszugänge möglichst ohne Treppen oder Stufen.

Bei barrierefreiem Wohnen denkt man auch oft an sterile Funktionsarchitektur und vor allem an hohe Kosten. Kommt hürdenfrei Bauen wirklich einem höheren finanziellen Aufwand gleich?
KÜNDIG In jungen Jahren verbindet man barrierefreies Wohnen häufig mit Alter, Gebrechlichkeit und Beeinträchtigung und nicht mit der aktuellen Lebenssituation. Man denkt an sterile, funktionale Räume, was oft Abwehrreaktionen auslöst. Aber barrierefreies Wohnen unterstützt Menschen in den unterschiedlichsten Lebensphasen.

Auch junge Menschen und Familien erfahren eine attraktive Wohnqualität, wenn durch Barrierefreiheit Komfort, Flexibilität und Unfallsicherheit verbessert werden. Wer eine barrierefreie Wohnung oder ein barrierefreies Haus baut oder kauft, leistet damit eine kluge Vorsorge. Denn nicht nur im Alter, sondern auch nach Unfällen oder plötzlichen Erkrankungen macht sich Barrierefreiheit bezahlt, denn diese lässt sich nachträglich meist nur mit hohem (finanziellem) Aufwand herstellen. Deshalb gilt es, die Gunst der Stunde zu nützen und beim Neubau bzw. Neukauf einer Wohnung oder eines Hauses klug zu handeln und sich gemeinsam mit Fachleuten zum Thema „Barrierefrei Wohnen“ auseinanderzusetzen.

Zusammengefasst ist es also wünschenswert, dass man schon frühzeitig, also bei der Planung des Wohnraumes an Barrierefreiheit denkt. An wen kann man sich wenden?
KÜNDIG Das Institut für Sozialdienste bietet Beratung zu allen Fragen des barrierefreien Bauens bzw. Umbauens, wie Finanzierung oder technische Möglichkeiten bzw. Ausführung. Gerne besprechen unsere Berater die Situation vor Ort, die Dienstleistung ist kostenfrei und unverbindlich.

Kontakt kann unter Tel. 05 1755-537 oder menschengerechtes.bauen@ifs.at aufgenommen werden.

Zitat:
„Barrierefreiheit heißt vor allem eines, heute schon an die ­Zukunft zu denken.“ Werner Kündig, Institut für Sozialdienste

Factbox
Zur Person: Werner Kündig zeichnet seit 2014 Verantwortung für den Bereich Menschengerechtes Bauen beim Institut für Sozialdienste.
Geboren: 1962
Hobbys: Wald, Jagd, „Vorsäß und a goats Schläufle tuo“
Motto: „Am schöanschto ischt as dahoam.“

  • VIENNA.AT
  • Gesundheit
  • Barrierefrei durchs Leben
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.