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Schuldzuweisungen nach Brückeneinsturz in Genua

Nach dem verheerenden Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua mit mehr als 40 Toten mehren sich in Italien die Schuldzuweisungen.
Genua: Rettungsarbeiten im Gange
NEU
Genua: Autobahnbrücke eingestürzt
Grün-Blauer Lkw als Symbol
Hier stürzt die Brücke in Genua ein

Während die Rettungskräfte am Mittwoch noch immer Leichen zwischen den gewaltigen Trümmern bargen, machten Regierungsmitglieder den privaten Betreiber der Autobahn für das Unglück verantwortlich. Die vorläufige Zahl der Toten stieg am Mittwoch auf 42 an.

Drei Minderjährige unter den Todesopfern

Unter den Opfern sind mindestens drei Minderjährige im Alter von acht, zwölf und 13 Jahren. 16 Menschen seien verletzt, der Zustand von zwölf Menschen sei kritisch, teilte die Präfektur mit. Es werde erwartet, dass die Zahlen weiter steigen, sagte Regionalpräsident Giovanni Toti nach einem Besuch von Verletzten in einem Krankenhaus zusammen mit Regierungschef Giuseppe Conte. Es gebe unter der Brücke noch immer “zahlreiche Vermisste”, sagte Toti. Er kündigte an, dass die Regierung eine nationale Staatstrauer ausrufen werde.

Noch immer werden Autos geborgen

Noch immer befinden sich Autos in den gewaltigen Trümmern. “Seit gestern sind verschiedene Fahrzeuge gefunden worden und es gibt noch immer Fahrzeuge, die (…) zu sehen sind”, sagte Federica Bornelli vom Roten Kreuz. Auf die Frage, ob es noch Hoffnung auf Überlebende gebe, sagte Bornelli, man arbeite rund um die Uhr: “Der Einsatz hat sich nicht verlangsamt.” Doch die Bergungsarbeiten gestalten sich schwierig: Ein einziges Auto zu bergen habe in der Früh vier bis fünf Stunden gedauert. Die Sicherheit für die Einsatzkräfte stehe aber an oberster Stelle: “Die Arbeit ist in mentaler und physischer Hinsicht sehr anstrengend.”

Unter den Toten der Katastrophe sind auch drei Franzosen und zwei Rumänen. Hinweise auf österreichische Opfer gibt es keine.

Brückenbetreiber weist Vorwürfe zurück

Der Betreiber der eingestürzten Autobahnbrücke in Genua, Autostrade, wies unterdessen den Vorwurf von Pflichtverletzungen bei der Überwachung des Bauwerkes zurück. Man habe die Brücke auf vierteljährlicher Basis entsprechend den gesetzlichen Vorgaben kontrolliert, erklärte das Unternehmen am Mittwoch. Man habe aber auch zusätzliche Prüfungen vorgenommen unter Nutzung modernster Technologien und der Hinzuziehung externen Expertenrates.

Verkehrsminister Danilo Toninelli hatte zuvor die Führung der Betreibergesellschaft zum Rücktritt aufgefordert. Zugleich kündigte er an, dass dem Unternehmen die Lizenz zum Betrieb der Straße entzogen werden solle und es mit Strafzahlungen von bis zu 150 Millionen Euro belegt werden könnte. “Autostrade per l’Italia war nicht in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Verwaltung der Infrastruktur zu erfüllen”, sagte Toninelli dem staatlichen Sender RAI 1.

Auch der Fünf-Sterne-Chef und Vize-Ministerpräsident Luigi Di Maio sowie Innenminister Matteo Salvini machten das Unternehmen für die Tragödie verantwortlich. Salvini plädierte ebenfalls für einen Entzug der Lizenz aus. Ihm zufolge stehen der Sicherheit des Landes aber auch die strengen europäischen Defizitregeln im Wege: Geld, das für die Sicherheit ausgegeben werde, dürfe “nicht nach den strengen (…) Regeln berechnet werden, die Europa uns auferlegt”, sagte der EU-kritische Politiker am Mittwoch dem Sender Radio24. “Immer muss man um Erlaubnis fragen, um Geld auszugeben”, prangerte er an.

Brücke 40 Meter in die Tiefe gestürzt

Während eines schweren Unwetters war am Dienstagmittag der Polcevera-Viadukt, der auch Morandi-Brücke genannt wird, in mehr als 40 Metern Höhe auf einem etwa 100 Meter langen Stück eingestürzt. Die Brücke ist Teil der Autobahn 10, die auch als Urlaubsverbindung “Autostrada dei Fiori” bekannt und eine wichtige Verbindungsstraße nach Südfrankreich, in den Piemont und die Lombardei ist.

Brückeneinsturz in Genua
Brückeneinsturz in Genua ©APA

Augenzeugen hatten berichtet, dass kurz vor dem Einsturz ein Blitz in die Brücke eingeschlagen habe. Doch Staatsanwalt Francesco Cozzi ließ im Gespräch mit RaiNews24 erkennen, dass auch die Ermittler von menschlichem Versagen als Ursache ausgehen.

Infrastruktur in Italien vielerorts veraltet

Die Infrastruktur in Italien ist vielerorts dramatisch veraltet. Die Katastrophe an der “kranken Brücke”, wie “Corriere della Sera” sie nennt, lässt nach mehreren weniger dramatischen Einstürzen in den vergangenen Jahren nun die Alarmglocken umso lauter schrillen. Laut der Tageszeitung “La Repubblica” sind um die 300 Brücken und Tunnel marode. Der Polcevera-Viadukt wurde 1967 eingeweiht und hat eine Gesamtlänge von 1.182 Metern. Zum Zeitpunkt der Tragödie waren laut Betreibergesellschaft Bauarbeiten im Gange.

Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte versprach indes größere Anstrengungen bei der Kontrolle der Infrastruktur. “Das, was in Genua passiert ist, ist nicht nur für die Stadt eine tiefe Wunde, sondern auch für Ligurien und ganz Italien”, schrieb Conte auf Facebook. Er sagte der Bevölkerung zu, dass die Regierung einen außerordentlichen Plan zur Kontrolle der Infrastruktur voranbringen werde. Papst Franziskus drückte indes seine Solidarität mit den Betroffenen von der Brücken-Katastrophe in Genua aus.

(APA/dpa)

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