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Auf die sanfte Tour

Im Stadtpolizeikommando Döbling läuft seit Oktober 2007 die Aktion „Komplexe Opferarbeit“. Werner Schweiger und Adolf Wagner sind die Männer hinter dem Projekt.

Hohe Warte
“Er steht immer nur am Gehsteig gegenüber der Schule und beobachtet meine Tochter, wenn sie rauskommt”, gab eine Frau in der Polizeiinspektion Billrothstraße zu Protokoll. „Wir waren fünf Jahre verheiratet. Ich habe unheimliche Angst, dass er unsere Tochter entführt oder ihr sonst was antut.” Der 35-jährige Sami L. hatte sein Kind ein Jahr lang in Folge eines Scheidungsstreits nicht mehr gesehen. Dieser Fall (entnommen aus dem Magazin „Polizei” 4/2008 – Anm. d. Red.) wurde den Polizisten Werner Schweiger und Adolf Wagner zugeteilt. Die beiden Beamten sind im Stadtpolizeikommando (SPK) Döbling für den 18. und 19. Bezirk für das Projekt „Komplexe Opferarbeit” (KOA) zuständig. In der Vernehmung erkannten Wagner und Schweiger, dass Sami L. seit über einem Jahr keinen Kontakt zu seiner achtjährigen Tochter mehr hatte und somit das Stalking auch nicht ohne weiteres beenden werde.

Volle Unterstützung
Die beiden Polizisten versprachen dem Mann, ihm im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu helfen, um seine Tochter zu sehen. Ein Jahr lang war dies nur unter Aufsicht einer Psychologin möglich. Auch Schweiger und Wagner waren bei den ersten Besuchen zugegen. Mittlerweile hat das Pflegegericht Sami L. das Besuchsrecht wieder eingeräumt. Vor kurzem durfte er sie zum ersten Mal wieder alleine treffen.

Menschliche Ebene
Hätten die Polizisten in diesem Fall nichts anderes gemacht, als Anzeige zu erstatten, hätten sie sicherlich nicht diesen Erfolg erzielt. Das Landespolizei- und das Stadtkommando erkannten, dass die Opferarbeit in Beziehungsgewaltfällen die Problematik nachhaltiger löst, als das bloße Aussprechen eines Betretungsverbotes. Aus diesem Grund wurde im -Oktober 2007 im SPK Döbling unter der Leitung von Stadthauptmann Harald Hofmayer und Major Hans Golob sowie mit Gruppeninspektor Adolf Wagner und Abteilungsinspektor Werner Schweiger das Pilotprojekt KOA gestartet. Die KOA-Beamten nehmen sich für jeden einzelnen Fall Zeit und beschäftigen sich intensiv mit der konkreten Opfer-Täter-Situation. Dadurch entlasten sie die Polizeiinspektionen und spielen die anderen Beamten für den Dienst auf der Straße frei. „Die menschliche Ebene ist sehr wichtig”, berichtet Schweiger. „Das Begrüßen und Verabschieden mit Händeschütteln, sowohl von Opfer und Täter, schafft Vertrauen.” Wagner: „Dadurch soll der Dirigentenstab der Gewalt in der Hand des Täters gebrochen werden.”

Keine Rückfälle
Die „Komplexe Opferarbeit” läuft in drei Phasen ab: Die Situation wird erfasst und analysiert. Bei den darauf folgenden Kontakten wird den Betroffenen unbürokratisch Hilfe angeboten. In einer zweiten Phase wird der Fall dann aufgearbeitet. Die Beamten treten als Moderatoren auf. Dadurch soll „der Dampf herausgenommen werden”. Die dritte Phase besteht darin, dass die Beteiligten auch nach Abschluss des Falles betreut werden. Das Projekt ist so erfolgreich, dass von nahezu allen Fällen, die im letzten Jahr betreut wurden, kein Rückfall bekannt ist. Aus diesem Grund wurde das Projekt am 1. Dezember auf das SPK Josefstadt, SPK Favoriten und SPK Meidling ausgeweitet.

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