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Audimax-Proteste: "Stehen für den Frust einer ganzen Generation"

©Vienna Online
Viele der Studierenden, die nun den Audimax in Beschlag halten, waren bislang unpolitisch. Politikwissenschafter analysieren: Der Auslöser, sie zu motivieren, sind die schlechten Studienbedingungen. Viel hängt nun von der Reaktion der etablierten Politik ab.
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Zu wenige Plätze in Lehrveranstaltungen, schlechte Betreuungsverhältnisse, mangelhafte Infrastruktur und schlechte Erfahrungen mit der neuen Bachelor-/Master-Struktur – Diese persönlichen negativen Erfahrungen an den Universitäten sind Hauptauslöser für die seit zwei Wochen andauernden Studentenproteste in Österreich, sind sich Politikwissenschafter im Gespräch mit der APA einig. “Sie stehen für den Frust einer ganzen Generation”, so der Wiener Politikwissenschafter Thomas Schmidinger, Vertreter der mit den Audimax-Besetzern solidarischen Lehrenden der Uni Wien (“Squatting Teachers”).

“Die Leute wollen sich nicht mehr mit platten Politikantworten abspeisen lassen und wehren sich gleichzeitig gegen Zugangsbeschränkungen”, betonte Ulrich Brand, Politikwissenschafter an der Uni Wien mit dem Forschungsschwerpunkt “soziale Bewegungen”. Dementsprechend breit sei auch der Protest, “meines Erachtens nach nehmen Studierende aller Institute und Studienrichtungen teil”. Vorangetrieben werde der Widerstand nicht von oben durch die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH), “der Funktionärsmechanismus” greife nicht. Eine Spaltung zwischen Demonstranten und ÖH sieht Brand allerdings nicht, immerhin gebe es “nach anfänglichen Unstimmigkeiten” Unterstützung durch die ÖH.

Ein großer Teil der Besetzer sei “bisher nicht politisch und schon gar nicht politisch organisiert” gewesen, betont Schmidinger. Viele bisher politisch inaktive Menschen würden nun im Rahmen der Proteste erstmals politisiert und sich in den Arbeitsgruppen kritisch mit Themen wie neoliberalen Entwicklungen der vergangenen Jahre oder dem Wert von Bildung auseinandersetzen. “Natürlich sind auch Studenten vertreten, die schon bisher in linken Gruppen waren – aber die sind viel sichtbarer als ihr Anteil an den Besetzern groß ist.”

Ein “linker” Protest sind die Uni-Besetzungen für Brand dennoch: “Ja, ohne Zweifel. Wenn links bedeutet herrschaftskritisch, demokratisch und auf die Realisierung gerechter und freier Verhältnisse setzend.” Zu 1968 sieht er viele Unterschiede: “Damals war das wohl viel männerdominierter, ein autoritäres linkes Politikverständnis war deutlicher, Studierende waren soziostrukturell eher privilegiert – und die meisten bekamen in den 1970ern einen guten Job.” Heute sei das antiautoritäre und demokratische Bewusstsein viel stärker. “Aber eben auch eine Erfahrung von Prekarisierung und unsicheren Zukunftsaussichten. Die gab es damals nicht bzw. weniger”, analysiert Brand.

Der Funke, der die Proteste entfacht hat, war laut Schmidinger “ganz sicher” die Besetzung der Akademie der Bildenden Künste. Er konnte allerdings nur zünden, weil “schon sehr viel Brennbares herumgelegen” sei. “Ich habe mich jahrelang gewundert, was Studenten alles protestlos hinnehmen”. Bisher hätten diese nach individuellen Lösungen gesucht, möglichst schnell studiert und sich schon während der Uni mit Gratis-Praktika “zu Tode gearbeitet”. Im aktuellen Semester, wo die Zahl der Studenten deutlich gestiegen, die Studiensituation aber so schlecht wie bisher geblieben sei, “haben die Studenten scheinbar gesehen, dass das so nicht mehr machbar ist”.

Der Ausgang der Proteste hängt aus Schmidingers Sicht von Regierung und Universitäten ab, “wenn sie nicht reagieren, könnten sie sich noch ausweiten”. Immerhin gebe es bereits in vielen Teilen der Gesellschaft verhaltene Sympathie für die Proteste. “Ob daraus offene Zustimmung wird, hängt ab von der Reaktion der Politik und den Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Sollte es etwa ein massives Ansteigen der Arbeitslosigkeit geben, wird’s das nicht gewesen sein.”

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