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#Asyl Die Stimmung ist gekippt

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Gastkommentar von Johannes Huber: Ganz Österreich geht mit den Flüchtlingen nun so um, wie es sich gehört. Das ist erfreulich. Bedauerlich ist, dass es nach wie vor einige Ausreißer gibt.

All jene, die eine Schlacht um Wien erwartet haben, müssen enttäuscht werden. Fünf Wochen vor der Gemeinderatswahl steht die Bundeshauptstadt ganz im Zeichen der Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten. Wobei nicht Hetze, sondern Solidarität vorherrscht. Selbst Heinz-Christian Strache, der sonst gar nicht zimperlich ist, wenn es um Asylwerber geht, versucht sich in Mäßigung. Mit mehr oder weniger großem Erfolg. Doch dazu später.

In der Vergangenheit hat es sich gut theoretisieren lassen über Flüchtlinge. Nach Österreich sind wenige Tausend pro Jahr gekommen. Gesehen hat man sie nie. Und die großen Tragödien haben sich im Mittelmeer abgespielt. Das ist sehr weit weg, sodass es nicht so schnell nahe geht. Seit Donnerstag, dem 27. August, ist alles anders. 71 Tote wurden da in jenem Lkw aufgefunden. Auf der A4, bei Parndorf. Das ist zu nah, als dass es einen kalt lassen könnte.

Doch es ging noch weiter: Am vergangenen Montag kamen über 3600 Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof an: Müde und abgekämpft, aber friedlich. Freiwillige versorgten sie mit Essen und Getränken. Über die Mariahilferstraße zogen wiederum 20.000 Bewohner der Stadt ins Zentrum, um für einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen zu demonstrieren. Kardinal Christoph Schönborn kündigte an, zumindest 1000 Hilfsbedürftige in Pfarreien unterzubringen. Und auch Kanzler und Vizekanzler tun plötzlich das, was sie in den letzten Monaten so sträflich verabsäumt haben: Sie widmen sich gemeinsam der Lösung des Problems.

Das ist erfreulich. Umso mehr, als all das in einem Wahlkampf geschieht, in dem es vor allem für Rot und Blau um so viel geht. Doch auch sie haben reagiert. Besser gesagt: Die Sozialdemokraten um Michael Häupl haben schon bisher wesentlich mehr zur Versorgung von Asylwerbern beigetragen als die Vertreter der meisten übrigen Bundesländer zusammen. Heinz-Christian Strache dagegen schreckt neuerdings immerhin davor zurück, Ängste vor und Emotionen gegen Flüchtlinge zu schüren. „Verbale Ausritte“ seien ausgeblieben, bemerkte der „Kurier“ diese Woche über seine Rede in einer Sondersitzung des Nationalrats. Beim Wahlkampfauftritt in Oberösterreich bezeichnete er diejenigen, die in dem Lkw bei Parndorf tot aufgefunden worden waren, als „arme Teufel“. Und erklärte außerdem, dass Fremde, die sich integrieren, „unsere Freunde“ seien.

Das sind neue Töne. Hoffentlich halten sie an. Denn im Unterschied zu Strache selbst haben viele seiner Anhänger noch nicht erkannt, dass jetzt andere Zeiten angebrochen sind. Beim Wahlkampfauftakt haben sie auf seine Worte hin gepfiffen. Und auch die Scharfmacher in der Funktionärsriege, wie Dagmar Belakowitsch-Jenewein, die Österreich auf dem Weg zu einem Bürgerkrieg sieht, hat der FPÖ-Chef noch nicht einbremsen können. Oder wollen? Wie auch immer: Im besten Fall wird ihm dies noch gelingen. Im schlimmsten ist er in der Vergangenheit schon zu weit gegangen, sodass ihm die Zügel längst entglitten sind.

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