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Arbeitslosigkeit in Österreich weiter gestiegen: Höchster Anstieg in Wien

Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juli weiter gestiegen.
Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juli weiter gestiegen. ©APA (Sujet)
Auch im Juli ist die Arbeitslosigkeit in Österreich weiter gestiegen: 376.522 Menschen waren ohne Job. Das macht einen Zuwachs von 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der höchste Arbeitslosenanstieg wurde dabei in Wien verzeichnet.

Als Gründe für die weiter steigende Arbeitslosigkeit nennt Sozialminister Hundstorfer (SPÖ) das anhaltend schwache Wirtschaftswachstum in Kombination mit wachsendem Arbeitskräfteangebot: “Die Konjunktur bleibt nach wie vor zu schwach, um allen rund 60.000 Arbeitskräften, die gegenwärtig auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zusätzlich auftreten, einen Arbeitsplatz zu bieten.” Der Zuwachs beim Arbeitskräfteangebot, der Qualifikationsbedarf und das schleppende Wirtschaftswachstum “unterstreichen die Einschätzung, dass eine merkliche Senkung der Arbeitslosigkeit durch eine Verschärfung von Zumutbarkeitsbestimmungen für den Bezug von Arbeitslosenversicherungsleistungen nicht erreicht werden kann”, betonte Hundstorfer in einer Aussendung. Im Jahr 2016 sollte sich das Wirtschaftswachstum gemäß der Prognosen allerdings durch die Steuerreform und das Wohnbaupaket verstärken.

Die Arbeitslosigkeit in Zahlen

Von den 376.522 Menschen ohne Job machten 56.642 Personen eine Schulung beim AMS, um 12,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen (ohne Schulungsteilnehmer) stieg um 11,7 Prozent auf 319.880 Personen. Die Arbeitslosenquote (nach nationaler Definition) kletterte um 0,7 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent. Besonders stark betroffen von der Zunahme waren das Gesundheits- und Sozialwesen (+12,2 Prozent), die Baubranche (+11,5 Prozent) und der Bereich Leiharbeit (+10,0 Prozent), teilten das Arbeitsmarktservice (AMS) und das Sozialministerium am Montag mit.

Arbeitskraft-Nachfrage

Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist leicht gestiegen: Ende Juli war die Zahl der gemeldeten offenen Stellen mit 31.119 um 4.385 bzw. 16,4 Prozent über dem Vorjahreswert. Allerdings werden insbesondere Arbeitskräfte mit mittlerem und höherem qualifikatorischen Anforderungsprofil gesucht. Das Ausbildungsniveau von rund 45 Prozent der Arbeitssuchenden geht aber nicht über ein Pflichtschulniveau hinaus, gibt das Sozialministerium zu bedenken.

Besonders schlechte Chancen bei 50+ und beeinträchtigen Personen

Vor allem bei Älteren ab 50 Jahren (plus 15,4 Prozent) und gesundheitlich beeinträchtigten Personen (plus 16,1 Prozent) stieg die Zahl der Arbeitslosen überdurchschnittlich. Bei Ausländern wurde ein Zuwachs der Arbeitslosen um 21,5 Prozent gemeldet. Vor allem für Schutzbedürftige aus Krisenregionen ist die kurzfristige Integration am Arbeitsmarkt schwierig, erläuterte der Minister. Die Jugendarbeitslosigkeit (15 bis 24 Jahre) nahm um 3,1 Prozent unterdurchschnittlich zu.

Höchster Arbeitslosenanstieg in Wien

Im Bundesländervergleich zeigte sich ein deutliches Ost-West-Gefälle: Die höchste Zuwachsrate der Arbeitslosen gab es in Wien (+18,9 Prozent) gefolgt von Oberösterreich (+11,4 Prozent) und Niederösterreich (+9,3 Prozent), die geringsten Anstiege in Vorarlberg (+2,0 Prozent) und in Tirol (+2,6 Prozent). Die meisten vorgemerkten Arbeitslosen fanden sich in der Bundeshauptstadt (119.060 Arbeitslose), denen nur 4.763 beim AMS gemeldete offene Stellen gegenüberstanden. Die meisten offenen Stellen wurden in Oberösterreich gemeldet: 7.657 Jobs standen dort 37.925 Arbeitslosen gegenüber.

Die Situation am Wiener Arbeitsmarkt ist weiterhin angespannt: Im Juli stieg die Zahl der als arbeitslos vorgemerkten Personen im Jahresvergleich um 18,9 Prozent auf 119.060. Allerdings besuchten um 17,5 Prozent, also um rund 22.000, weniger Menschen Schulungen. In Summe gibt es damit im Vergleich zu Juli 2014 um 11,2 Prozent mehr Jobsuchende in der Bundeshauptstadt.

Besonders betroffen sind weiterhin ältere Menschen: In der Gruppe der Über-50-Jährigen waren im Vergleich zum Vorjahr 20,8 Prozent mehr als arbeitssuchend gemeldet. Insgesamt handelt es sich um knapp 30.000 Personen, wie das AMS Wien am Montag per Aussendung mitteilte. Die Anzahl der Unter-25-Jährigen kletterte ebenfalls um 5,8 Prozent nach oben.

Das AMS verzeichnete allerdings mehr offene Stellen: 7.786 neue Angebote trudelten im Juli ein, das sind um 2,1 Prozent mehr als im Vorjahr. 6.600 Jobs konnten auch tatsächlich besetzt werden – die meisten innerhalb eines Monats. Sieht man sich die einzelnen Branchen an, waren im Juli vor allem der Einzelhandel (plus 15,1 Prozent), die Hotellerie und Gastronomie (plus 17,9 Prozent) sowie der Bau (plus 20,6 Prozent) von Arbeitslosigkeit betroffen.

Aussichten im Arbeitsmarkt

Die Beschäftigung in Österreich ist gewachsen, der Arbeitsmarkt bleibt dynamisch: Die prognostizierte Zahl der unselbstständig Beschäftigten lag Ende Juli um rund 31.000 über dem Wert des Vorjahres. 379.903 Personen haben seit Jahresbeginn nach der Vormerkung beim Arbeitsmarktservice wieder einen Arbeitsplatz gefunden. Zur Unterstützung von Älteren (ab 50 Jahren) werden heuer 120 Mio. Euro aufgewendet.

Reaktionen

Die Reaktionen der Interessenvertretungen und Parteien sind wie erwartet unterschiedlich aufgefallen. Die Arbeiterkammer (AK) verweist darauf, dass auf eine offene Stelle heute zwölf Arbeitsuchende kommen, und umgekehrt viele Vollzeiterwerbstätige mit Überstunden stark belastet seien. Daher müsse man die vorhandene Arbeit besser verteilen. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) fordert hingegen ein aktives Gegensteuern zur steigenden Arbeitslosigkeit durch eine Lohnnebenkostensenkung, die rasche Umsetzung des Wohnbaupaketes und eine Investitionszuwachsprämie. Die Industriellenvereinigung (IV) sieht Potenzial zur Beitragssenkung im Bereich des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und des Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds (IEF). Der ÖGB fordert den Ausbau von Kindergärten, Schulen und Pflegeeinrichtungen, um einerseits Jobs zu schaffen und Frauen neue Chancen am Arbeitsmarkt zu geben.

Die FPÖ will den Arbeitsmarkt vor “Arbeitsimmigranten” schützen und fordert eine sektorale Schließung des Arbeitsmarkts in besonders betroffenen Branchen, etwa am Bau. Dies wäre jedoch laut Expertenansicht EU-rechtswidrig. Österreich habe die Ausnahmeregelungen bei den neuen EU-Ländern ohnehin voll ausgeschöpft.

Die Neos fordern eine Lohnnebenkostensenkung und Reformen bei den Sozialversicherung.

(apa/red)

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