Bei den Schreibarbeiten, die die zwei Lehrlinge verrichten mussten, handelte es sich um Interviews mit Häftlingen, die Fußfesseln getragen hatten. Diese Interviews mussten für die Fachhochschularbeit “verschriftet” werden. Die angeklagte Offizierin verantwortete sich dahin gehend, dass sie die Lehrlinge lediglich “höflich gebeten” habe, dies für sie zu tun.
JVA-Leiterin rechtfertigt sich
Außerdem habe sie den Mädchen dadurch eine “sinnvolle Beschäftigung”, nämlich eine “Aufbesserung ihrer EDV-Kenntnisse” verschafft. “Eine dienstliche Anordnung war das nie, es waren höfliche Bitten”, erklärte die 54-Jährige, die jetzt ein Wiener Gefängnis leitet. Sie habe nichts Unrechtmäßiges von den Lehrlingen verlangt. Das sehe man schon daran, dass sie die Lehrlinge für die Tipparbeiten “nicht in einem abgelegenen Besprechungszimmer versteckt”, sondern diese die Arbeiten “mitten im Parteienverkehr” habe verrichten lassen.
Aussagen der Betroffenen vor Gericht
Eine Vertragsbedienstete hätte sie nur zwei Mal gebeten, ihr bei der Erstellung eines Inhalts- und Abbildungsverzeichnisses für eine zweite Facharbeit Tipps zu geben bzw. auf ihrem Laptop zu zeigen. Die Mitarbeiterin bestätigte das.
Die Lehrlinge sagten beinahe dasselbe aus: “Sie hat gefragt, ob ich ihr helfen könnte, wenn ich Zeit habe”, erklärte eine. “Sie war meine Chefin, mir war klar, dass es für sie privat war. Das war nicht meine Aufgabe als Lehrling in der Justiz. Aber ‘Nein’ hätte ich mich nicht sagen getraut. Und wenn ich mich getraut hätte, hätte ich trotzdem nicht ‘Nein’ gesagt.” Ein Lehrling gab an, mit den Schreibarbeiten rund zwei Wochen, jeweils drei Stunden pro Tag, beschäftigt gewesen zu sein. “Aber andere dienstliche Arbeiten sind dadurch nicht verschoben oder hintangestellt worden.”
Anzeige wegen Amtsmissbrauchs
Als die anonyme Anzeige gegen die Gefängnis-Direktorin eingebracht wurde, bekam die Staatsanwaltschaft Wien den Akt zugeteilt, da die Wiener Neustädter Anklagebehörde keinen Befangenheitsanschein geben wollte. Die Wiener stellten das Verfahren zunächst ein, die Oberstaatsanwaltschaft war gegenteiliger Meinung. Jetzt ist ein Wiener Neustädter Schöffensenat am Zug, ein Urteil in der “glamourösen Causa” (Anwalt Manfred Ainedter) zu fällen. (APA)