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Syrien: Allianz gegen Russland - Assad zu Gesprächen bereit

Russische Luftwaffe bombardiert Ziele in Syrien
Russische Luftwaffe bombardiert Ziele in Syrien
Eine breite Koalition von Berlin über Washington bis Riad hat Russland die Eskalation des Syrien-Konflikts vorgeworfen und den sofortigen Stopp von Angriffen auf die gemäßigte Opposition gefordert. Die Assad-Regierung hat sich unterdessen zu einer Teilnahme an neuen Friedensgesprächen unter UNO-Schirmherrschaft bereit erklärt. Der Westen kann sich eine Lösung mit Assad bisher nicht vorstellen.
Russischer Rückenwind für Assad
Syrien: Auswärtige Mächte und Hürden
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Bomben auf Zivilisten statt Terroristen

Der syrische Außenminister Walid al-Muallim sagte am Freitag bei der UN-Generaldebatte in New York, sein Land wolle sich an den vom UN-Syrien-Gesandten Staffan de Mistura vorgeschlagenen Gesprächen beteiligen. Die Diskussionen seien aber “vorläufig” und “nicht bindend”.

De Mistura hatte Ende Juli angekündigt, einen neuen Anlauf für eine politische Lösung im Syrien-Konflikt zu unternehmen. Der Plan sieht vor, dass die Konfliktparteien in Arbeitsgruppen auf mehreren Themenfeldern wie dem Schutz von Zivilisten, Wiederaufbau und verfassungsrechtliche Fragen in einen Dialog einsteigen. Der UN-Sicherheitsrat hatte sich im August einstimmig für den Plan ausgesprochen.

Rolle Assads als zentrale Streitfrage

Der Syrien-Konflikt steht im Mittelpunkt der seit Montag laufenden UN-Generaldebatte in New York. Die zentrale Streitfrage bei den internationalen Lösungsversuchen ist die künftige Rolle von Machthaber Bashar al-Assad. Während der Iran und Russland ihrem Verbündeten den Rücken stärken, kann sich der Westen keine Zukunft für den syrischen Machthaber vorstellen.

Russland setzt Luftangriffe in Syrien fort

Eine breite Koalition von Berlin über Washington bis Riad hat Russland zum Ende der Angriffe auf die gemäßigte Opposition aufgerufen. “Diese Militäraktionen bedeuten eine weitere Eskalation und werden mehr Extremismus und Radikalisierung schüren”, heißt es in einer in der Nacht auf Freitag veröffentlichten Erklärung mehrerer Staaten.

Zivilisten starben bei russischen Angriffen

Die russische Luftwaffe bombardiert seit Mittwoch Ziele in Syrien. Alleine am Donnerstag wurden dabei nach Angaben von Aktivisten mindestens sieben Zivilisten getötet, darunter zwei Kinder. Nach Moskauer Darstellung richten sich die Angriffe gegen die Islamistenmiliz “Islamischer Staat” (IS) und andere extremistische Gruppen.

Syrische IS-Hochburg Raqqa erstmals bombardiert

So sei am Donnerstag erstmals die syrische IS-Hochburg in der Provinz Raqqa von Kampfbombern vom Typ Suchoi 34 bombardiert worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit. Ein Ausbildungslager und ein getarnter Befehlsposten seien getroffen worden. Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden dabei mindestens zwölf IS-Kämpfer getötet. Nach Moskauer Angaben wurden auch IS-Ziele in den Provinzen Aleppo an der türkischen Grenze und Idlib “vollständig zerstört”.

Vorwurf: Russische Angriffe auf gemäßigte Assad-Gegner

Die westlich-arabische Anti-IS-Koalition wirft Moskau aber vor, bisher vor allem die gemäßigten Gegner des syrischen Machthabers Bashar al-Assad angegriffen zu haben. Insbesondere die Luftangriffe auf Hama, Homs und Idlib mit zahlreichen zivilen Opfern seien nicht gegen den IS gerichtet gewesen, heißt es in der auf Englisch veröffentlichten gemeinsamen Erklärung von Deutschland, den USA, Frankreich, Großbritannien, der Türkei, Saudi-Arabien und Katar.

EU: Moskau soll Ziele “sorgfältig aussuchen”

Moskau wird darin aufgerufen, seine Angriffe auf die syrische Opposition und Zivilisten “sofort zu stoppen” und seine Bemühungen auf den Kampf gegen den IS zu konzentrieren. Auch die EU zeigte sich am Freitag “besorgt” über zivile Opfer der russischen Angriffe und verlangte von Moskau, seine Ziele “sorgfältig auszusuchen”.

Vor einem Ukraine-Gipfel in Paris traf am Freitag zunächst Frankreichs Staatspräsident François Hollande mit Putin zusammen. Die beiden hätten sich bei einem Treffen bemüht, “die Differenzen beim Thema des politischen Übergangs in Syrien zu überbrücken”, hieß es aus französischen Diplomatenkreisen. Frankreich bezeichnet Assad als Hauptverantwortlichen des blutigen Bürgerkriegs in Syrien und fordert einen Machtwechsel, Russland sieht Assad dagegen als Anker der Stabilität.

Kritik an Russland zeigt bislang keine Wirkung

Bisher gibt es keine Anzeichen, dass die Kritik an Moskau wirken könnte: In Moskau sagte der Vorsitzende des Außenausschusses des russischen Parlaments, Alexej Puschkow, Russland werde in Syrien “so lange wie nötig” sein militärisches Engagement fortsetzen. Er widersprach damit auch einem französischen Medienbericht, wonach er von einem “drei bis vier Monaten” langen Einsatz gesprochen habe. “Die US-Koalition tut seit einem Jahr so, als ob sie den ‘Islamischen Staat’ bombardiert, aber es gibt keine Ergebnisse”, sagte Puschkow dem französischen Sender Europe 1. “Wenn man es effizienter macht, wird es, denke ich, Ergebnisse geben.”

Moskau hatte in den vergangenen Wochen seine Militärpräsenz in Syrien massiv verstärkt. Neben Panzern, Kampfflugzeugen und Drohnen sollen auch mindestens 500 Soldaten dort stationiert worden sein. In das Ringen um einen Beendigung des Bürgerkriegs will Putin seinen Verbündeten Assad einbinden und stärken. US-Präsident Barack Obama betonte dagegen vor wenigen Tagen vor der UNO-Vollversammlung, er halte Assad für einen “Tyrannen”, der dem Frieden im Wege stehe.

Assad plant mit Irans Hilfe Bodenoffensive

Russlands Eingreifen verkompliziert unübersichtliche Lage

Mit dem russischen Eingreifen in Syrien hat der Konflikt, an dem bereits zahlreiche Akteure mit unterschiedlichen Zielen beteiligt sind, nach Einschätzung von Experten eine neue Dimension erlangt. Beobachter sind sich einig, dass es Russland langfristig darum geht, später mit am Verhandlungstisch zu sitzen, wenn es um Syriens Zukunft geht. In der Zwischenzeit aber riskiert Moskau, in einen brutalen Krieg hineingezogen zu werden, dessen Ende nicht in Sicht ist.

“Wir haben in der Vergangenheit unglaublich komplizierte Konflikte gesehen, die an verschiedenen Fronten ausgetragen wurden”, sagt der Experte vom Londoner Rusi-Institut, Shashank Joshi, und verweist etwa auf den Bosnienkrieg der 90er-Jahre. “Aber diesmal steht mehr auf dem Spiel”, sagt Joshi. “Wenn der Iran Syrien verliert, verliert er seinen mit Abstand größten Verbündeten im Nahen Osten. Wenn Russland Syrien verliert, ist das ein schwerer geopolitischer Schlag zu einer Zeit, wo es isoliert dasteht”, sagt der Experte.

Kritiker: Moskau will Assad an der Macht halten

Während Russland behauptet, mit seinen Luftangriffen vor allem die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) treffen zu wollen, werfen die syrische Opposition und der Westen Moskau vor, bisher vor allem verschiedene Rebellengruppen zu attackieren, die Machthaber Bashar al-Assad bekämpfen. Beobachter und Aktivisten sagen, die von Russland ausgewählten Ziele zeigten, dass Moskau alle Gruppen treffen wolle, die sich gegen Damaskus richteten – ob Jihadisten oder andere. Ziel sei es, Assad an der Macht zu halten.

Türkei: Offizielle IS-Angriffe eigentlich gegen Kurden

Russland ist nur ein Mitspieler in einem überfüllten Feld von Akteuren. Die Türkei begann mit Angriffen, die sich offiziell gegen den IS richteten, von denen die meisten aber auf Kurden abzielten. Saudi-Arabien und Katar sehen in dem Konflikt einen Stellvertreterkrieg gegen ihren Rivalen Iran. “Und dann sind da noch die USA, die gegen Assad sind”, sagt Joshi.

“Schwer, auf die einen zu zielen, ohne die anderen zu treffen”

Die verschiedenen Rebellengruppen am Boden, hinter denen eine Reihe einflussreicher Unterstützer steht, machen es für die ausländischen Mächte beinahe unmöglich, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. “Dadurch, dass von den USA unterstützte Rebellen an der Seite anderer Gruppen kämpfen, ist es schwer, auf die einen zu zielen, ohne die anderen zu treffen”, sagt der Nahostexperte Columb Strack.

Die unterschiedlichen Interessen führen auch zu unterschiedlichen Ansätzen in dem Krieg. “Russland konzentriert sich auf den Nordwesten, schützt seine Marinebasis in Tartus und die Gegend um Latakia, während der Iran vor allem darum bemüht ist, Syrien als Kanal für die Hisbollah zu erhalten”, sagt Joshi mit Blick auf die libanesische Schiitenmiliz.

Befürchtung: Russland könnte letztlich den IS stärken

Groß ist die Befürchtung, dass Russland letztlich den IS stärken könnte – das genaue Gegenteil, von dem, was Moskau zum Ziel erklärt hat. “Es handelt sich um eine direkte Intervention der russischen Armee an der Seite der Diktatur in Damaskus, welche nur den IS und die Rekrutierung von Jihadisten stärken wird”, sagt der Islamexperte Jean-Pierre Filiu.

Eine Lösung des Konflikts ist mit der aktuellen Gemengelage zumindest in weitere Ferne gerückt. Der Einfluss von Regierung und Rebellen wird neu definiert, ein stärkeres Eingreifen des Westens zunehmend unwahrscheinlicher. Durch die russischen Kampfjets im syrischen Luftraum ist Joshi zufolge auch eine Flugverbotszone vom Tisch.

Die Beobachter sind sich einig, dass Russland sich langfristig Einfluss in der Syrien-Frage verschaffen will. Dies sei eine Chance für Moskau, im eigenen Land Macht zu demonstrieren und sich zugleich zu einem unentbehrlichen Partner für Europa, die USA und China zu machen. Karim Bitar vom Institut für Internationale und Strategische Beziehungen in Paris ist jedoch überzeugt, dass der Syrien-Konflikt sich noch als “Falle für die Russen” erweisen könnte.

(APA)

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