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Prozess gegen angebliche Schutzgeld-Erpresser in Wien endete mit Freisprüchen

Das Gericht verwarf die Anklage gegen acht gebürtige Tschetschenen.
Das Gericht verwarf die Anklage gegen acht gebürtige Tschetschenen. ©APA (Sujet)
Am Donnerstag endete der Prozess gegen jene acht gebürtige Tschetschenen, die sich als mutmaßliche Schutzgeld-Erpresser verantworten mussten, mit Freisprüchen.
Prozess wurde fortgesetzt
Prozess-Start in Wien
Bandenmitglieder festgenommen

Als Schlag ins Wasser hat sich die Anklage gegen acht gebürtige Tschetschenen erwiesen, die sich seit Anfang Dezember als vermeintliche Schutzgelderpresser und wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung am Wiener Landesgericht verantworten mussten. Die Männer im Alter zwischen 27 und 40 Jahren wurden am Donnerstag nach dreitägiger Verhandlung von den wider sie erhobenen Vorwürfen freigesprochen.

Angeklagte wurden von Vorwürfen freigesprochen

Die Freisprüche erfolgten keineswegs im Zweifel. Der Schöffensenat (Vorsitz: Andreas Böhm) war vielmehr überzeugt, “dass das mit Sicherheit keine Erpressung war”, wie der Richter betonte. Ebenso haltlos war nach Ansicht des Gerichts die den Tschetschenen unterstellte Bandenbildung. Ein einziger von ihnen kam nicht gänzlich ungeschoren davon. Weil er trotz Waffenverbots einen Schlagring besessen hatte, fasste der 33-Jährige drei Monate bedingt aus.

Richter über “Kronzeuge”: “Alles, was der erzählt, ist unglaubwürdig”

Die Urteile hatten sich abgezeichnet, nachdem am Donnerstag der Hauptbelastungszeuge sowie ein angeblich von Tschetschenen erpresster Floridsdorfer Friseur vernommen wurden. Der “Kronzeuge” erschien dem Schöffensenat “höchst dubios”, wie Richter Andreas Böhm am Ende des Verfahrens feststellte.

Hinsichtlich dessen Angaben bemerkte Böhm: “Alles, was der erzählt, ist unglaubwürdig.” Dieser Zeuge, auf den sich die Staatsanwaltschaft gestützt hatte, wurde im Übrigen aus der Strafhaft vorgeführt. Der gebürtige Tschetschene war am 22. Mai 2017 vom Landesgericht für Strafsachen wegen Schlepperei und falscher Zeugenaussage zu 30 Monaten unbedingter Haft verurteilt worden, wobei diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Der 40-Jährige soll in zahlreichen Fällen zur entgeltlichen Schleusung von Syrern von Ungarn nach Österreich beigetragen haben, indem er dafür sein Fahrzeug zur Verfügung stellte und weitere Organisationsdienste leistete.

Angeblich Erpresster: “Was habe ich damit zu tun?”

Den acht Tschetschenen war im Wesentlichen vorgeworfen worden, einen Friseur in Wien-Floridsdorf sowie einen arabisch stämmigen Arzt erpresst zu haben. “Ich weiß nicht, warum mich das Gericht geladen hat. Was habe ich damit zu tun?”, wunderte sich der Coiffeur, als er am Donnerstag in den Zeugenstand trat. Nachdem er alle Angeklagten gemustert hatte, gab der Friseur zu Protokoll: “Keiner von diesen Männern hat mich bedroht. Vielleicht war einer einmal als Kunde bei mir.”

Danach schilderte der Mann, er hätte sich Anfang des Jahres selbstständig gemacht und in unmittelbarer Nähe zu seinem früheren Arbeitgeber ein Geschäft eröffnet. Das hätte seinem ehemaligen Chef nicht gepasst. Dieser hätte ihm gedroht (“Ich werde alles tun, damit du den Laden nicht aufmachst”) und ihm in weiterer Folge gewalttätige Männer auf die Baustelle bzw. ins Geschäft geschickt. Er wisse nicht, “ob das Tschetschenen oder Afghanen waren”, sagte der Zeuge. Zweifellos hätten diese aber anders ausgesehen als die Angeklagten.

Friseur wurde von Unbekannten bedroht

Einmal hätten ihm die ungebeten Besucher einen Kinnhaken und Tritte verpasst, erinnerte sich der Mann. Er habe trotzdem nicht zugesperrt. Darauf hätten ihn am 10. April noch einmal Unbekannte aufgesucht und mehrere tausend Euro Schutzgeld verlangt. “Ich habe das Geschäft weiter betrieben. Und jetzt sitze ich da vor Ihnen”, meinte der Zeuge zum Vorsitzenden.

Seit April sei er nicht mehr bedroht worden, erklärte der Friseur. Das könnte möglicherweise damit zu tun haben, dass sein ehemaliger Chef seit dem Frühjahr von der Bildfläche verschwunden ist. Er soll sich ins Ausland abgesetzt haben bzw. “geflüchtet sein”, wie der Friseur zu Protokoll gab.

Im Zuge seiner Befragung bestätigte sich dann auch, dass der Mann mehrere Angeklagte als Kunden bedient hatte. Zumindest einem von ihnen ließ er eine kosmetische Behandlung zuteilwerden, indem er dem Tschetschenen eine Gesichtsmaske auflegte.

Arzt machte Zeugenaussage am Mittwoch

Dass sich ein Arzt, der laut Staatsanwaltschaft von den angeklagten Tschetschenen eingeschüchtert und zur Zahlung von insgesamt 50.000 Euro genötigt worden sein soll, von diesen nicht bedroht fühlte, hatte der Mediziner am Mittwoch unter Wahrheitspflicht angebenen. Der Hauptbelastungszeuge – seinen Angaben zufolge seit zehn Jahren mit dem Mediziner befreundet – blieb in seiner heutigen Einvernahme demgegenüber dabei. Dem Arzt sei mittels Drohungen Geld abgenommen worden: “Er hat gesagt, man hat von ihm 50.000 Euro erpresst.” Dass der Mediziner das nicht zugebe, sei klar: “Natürlich hat man seine Familie bedroht.”

Allerdings stimmten die Angaben des bereits wegen Falschaussage erstinstanzlich vorbestraften Zeugen nicht mit seinen Aussagen vor der Polizei überein. Die – teilweise eklatanten – Widersprüche ließen sich trotz eindringliches Befragen des Richters nicht klären. Demgegenüber deckten sich die Äußerungen des Arztes in weiten Teilen mit jenen der Angeklagten.

Urteile bereits rechtskräftig: Vier Tschetschenen enthaftet

Die Freisprüche in dem Hochsicherheitsverfahren – auch das Prozessfinale wurde von einem Großaufgebot der Justizwache und Wega-Beamten überwacht, Besucher mussten sich vor Betreten des Verhandlungssaals ausweisen und eine zusätzliche mobile Sicherheitsschleuse passieren – sind bereits rechtskräftig. Die Staatsanwältin verzichtete auf Rechtsmittel.

Für vier Tschetschenen öffneten sich unmittelbar nach der Verhandlung die Tore der Justizanstalten Wien-Josefstadt bzw. Korneuburg, wo sie monatelang in U-Haft gesessen waren. Ihre Rechtsvertreter machten deutlich, dass angesichts der bereits in Rechtskraft erwachsenen glatten Freisprüche mit Anträgen auf Haftentschädigung zu rechnen ist.

U-Haft wegen weiteren Verfahrens verlängert

Die anderen vier Freigesprochenen mussten dagegen vorerst im Gefängnis bleiben. Bei ihnen beantragte die Staatsanwältin die Fortsetzung der U-Haft, weil gegen sie ein weiteres Verfahren anhängig ist. Sie sollen an einem Brandanschlag auf eine Pizzeria im Stadtzentrum von Hollabrunn beteiligt gewesen sein.

Um die Versicherungssumme in Höhe von 250.000 Euro zu kassieren, soll in dem Restaurant am 13. März 2017 vorsätzlich eine Explosion herbeigeführt worden sein. Dazu sind die Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft Korneuburg noch nicht abgeschlossen. Die entsprechende Anklage, die wiederum beim Wiener Landesgericht eingebracht werden wird, soll aber noch vor dem Jahreswechsel vorliegen, hieß es auf Anfrage.

>> Prozess gegen mutmaßliche tschetschenische Erpresser-Bande: Zeugenaussage

(APA/Red)

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