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Ein Fleckerl Wiese für uns Alle

Band: Fade out the gray / Convinced Delirium
Band: Fade out the gray / Convinced Delirium ©Thomas Wielander
Fleckerlfest 2011

Dies war und ist die Kernidee zum jährlich stattfindenden Fleckerlfest.

Drei Mal schon ist es passiert, und mit jedem Mal ist das Fest stärker eingeschlagen.

Eine schöne Entwicklung für uns, das JUMP Jugendzentrum Marco Polo, und für unseren lieben (Haupt-)Kooperationspartner, dem Kulturverein nittelhofKult, und ein guter Grund dem Fest über diesen Artikel zu noch mehr Prominenz zu verhelfen, denn auch heuer, am 31. August soll die Parole wieder lauten: Ein Fleckerl Wiese für uns alle!

 

Man könnte meinen, dass die Festivalisierung auch in der Marco Polo Siedlung um sich greift. Da gibt es den Kirtag am Spitz, den Rummel auf der Ruthnerwiese, das Marchfeldkanalfest, Aktionen und Veranstaltungen der wohnpartner, des Mieterbeirates, des Jugendzentrums und diverser anderer Vereine sowie Kabaretts und weitere Kulturveranstaltungen des Kulturvereines. Wozu dann noch ein Fleckerlfest?

Wer braucht das, und was müsste ein solches Fest können, um da überhaupt noch Platz zu haben und Sinn zu machen?

 

Feste verbreiten Lärm und bereiten Schmutz und Abfall. Sie sind Quell für Ruhestörungen, Vandalismen und Konflikteskalationen. Sie sind oft in flagranti ertappte EinbrecherInnen in den Alltag, das Gegenteil vom Gewohnten, und wenn das Gewohnte als das erscheint, was Geborgenheit bietet, vermögen es Feste das Bedürfnis nach Sicherheit zu bedrohen.

Auf der anderen Seite haben Feste aber auch Tradition. Nicht umsonst finden sie sich in jeder Kultur und begleiten die Menschen von Urzeiten an.

Feste sind bestimmt vom Zusammentreffen und vom Interagieren von verschiedenen Menschen. Sie sind die Bedingung für das Entstehen und die Entwicklung von Kultur. Fest und Kultur, das sind die beiden Schlüsselbegriffe im Zusammenhang mit der Idee zum Fleckerlfest, denn was das Fest auszeichnet ist der Wille zum Entwickeln einer Festkultur in der Siedlung. Was ist damit gemeint?

 

Festkultur heißt für uns zunächst, dass sich jede/r willkommen und wohlfühlt und sich selbst in der Veranstaltung und deren Angeboten wiederfinden kann. Idealerweise heißt es aber noch mehr, nämlich, dass jede/r die Möglichkeit und das Gefühl bekommt sich aktiv einbringen und mitgestalten zu können. Das Fest soll das spiegeln, was die Siedlung ist. Es soll die Antwort sein auf die Frage: „Was ist Marco Polo“, nämlich „wir“, jede und jeder von uns, wir alle zusammen, ohne Ausnahme, „WIR SIND MARCO POLO“. Das Fest als Spiegel- und Projektionsfläche der Siedlung, in möglichst allen ihren Facetten. Nicht in erster Linie die Bühne vor den Heurigengarnituren, sondern das Fest an sich bildet die Bühne und das Spektakel.

Es gibt zwei Möglichkeiten:

  1. Man macht ein Fest für die anderen (die in der Marco Polo Siedlung leben)
  2. Man macht ein Fest mit den anderen (die zusammen die Marco Polo Siedlung sind).

Wir haben uns mit der Idee zum Fleckerlfest dem zweiten Ziel verschrieben und der Ausblick verweist auf eine dritte Möglichkeit auf die wir abzielen:

3. Wir (die Marco Polo Siedlung) macht ein Fest für sich.

 

Wir folgen dem Gedanken von Josef Beuys, einem der bedeutendsten bildenden Künstlern des 20 Jahrhunderts, der davon überzeugt war, dass ausnahmslos jeder Mensch ein/e Künstler/in ist, da jeder und jede, ganz egal ob er/sie das will oder nicht seine/ihre Umwelt mitgestaltet. Das ist verwandt mit der barocken Einstellung Shakespeares, der die Welt als Bühne verstand. In einem ähnlichen Zusammenhang steht die Erkenntnis des namhaften österreichischen Kommunikationspsychologen Paul Watzlawick welche lautet, dass es nicht möglich ist nicht zu kommunizieren. Egal was wir machen, tun oder sagen (oder nicht sagen), in jedem Fall wirken wir dadurch auf unsere Umwelt ein und verändern, sprich gestalten diese.  Positiv ausgedrückt könnte man sagen: „Wir haben die Macht.“

In diesem Sinn ist es selbstverständlich legitim zu behaupten: „Wir sind Marco Polo“. „Wir“, also die Menschen, die hier leben sind es, welche die Siedlung ausmachen, die in ihren kulturellen Ausdrucksformen und Möglichkeiten Marco Polo zu dem machen was es ist, quasi als BaumeisterInnen die Siedlung konstruieren, dadurch, dass wir es mit Leben erfüllen und gestalten. Ziel des Fleckerlfestes soll es sein,  das bewusst zu machen und lustvoll damit zu experimentieren.

Zurück zur Frage was das Fleckerlfest von den andren Veranstaltungen in der Siedlung unterscheiden soll. Dazu ein Gedankenexperiment:

Angenommen, man geht auf ein Musikkonzert.  Auf der einen Seite stehen die MusikerInnen  oben auf der Bühne. Auf der andren stehen die vielen anderen zu deren Füßen. Die MusikerInnen haben den aktiven Part, sie musizieren. Die anderen, die da unten, zu deren Füßen stehen, haben den konsumierenden Part.

Nach der Logik einer Konsumgesellschaft in der wir es gewohnt sind zu leben (und zu konsumieren) handelt es sich um eine „No-Na-Net-Feststellung“. Wir gehen auf den Rummel und wir konsumieren eine Takatafahrt, ebenso wie wir die Bofrostpizza aus dem Billa konsumieren. So gehen wir also auf ein Musikkonzert, ob Rock, Punk, Jazz, Soul, Klassik oder sonst was und konsumieren demnach eine musikalische Darbietung. ABER: Wäre es denn verkehrt, das Pferd von der andren Seite aufzäumend zu behaupten, dass es die MusikerInnen sind, die die Publikumsdarbietung konsumieren? 

DENN: Wenn man es so betrachten würde läge der Unterschied in dem Detail, dass die einen für die Darbietung des/der anderen bezahlen, während die andere Seite gratis konsumiert.

Konsum ist allerdings genau das, worum es beim Fleckerlfest ganz wenig geht. Vielmehr geht es um Gestaltung, Freiheit, Freude, Zusammmenleben und Spass haben, Kennenlernen, Ausprobieren, Genießen, Ausleben, sich ausprobieren, ….

Es geht um das Kennenlernen der Möglichkeiten eines akzeptierenden Dabeiseins. Das bloße Dabeisein bedeutet Mitgestalten. Ganz egal wer sich wie einbringen kann und will, ob musizierend auf der Bühne oder kaffeeschlürfend aus dem abseitigen Beobachtungseck macht das Fest zu dem was es ist und sein soll. Wir leben in Wien, wir sind WienerInnen und wir sind die Stadt. Das Fleckerlfest soll nix andres sein als der jährliche Versuch eines künstlerisch katalysierten Abbilds der Siedlung, in all ihren Facetten, Farben, Lichtern, Ressourcen und Potentialen. Jährlich laden das JUMP Jugendzentrum und der Kulturverein die SiedlungsbewohnerInnen dazu ein, ein Bild der Siedlung zu malen. Wer ist die Siedlung, was kann sie, was schlummert da alles, was entdeckt werden will? All das sind Fragen die das Fest ins Mark treffen. Jede/r ist eingeladen sich einzubringen! Je mehr Perspektiven, Ansichten, Ideen, Blickwinkel, desto bunter, schöner, feiner. Das Fest ist der Bildträger darauf ein jeder / eine jede BesucherIn seine/ihre Bahnen zieht, Spuren hinterlässt, etwas lebendig werden lässt.

 

Dies also sind die Gedanken, die von Anfang an hinter dem Fest standen. Es mögen teilweise sehr abstrakt scheinende oder formulierte Gedanken und Ziele sein, was daran liegt, dass sie aus einer einzigen Perspektive in eine Sprache gefasst sind, die nicht imstande ist und nie imstande sein kann die vielen Sichtweisen und Sprachen der OhrenpaareignerInnen jener abzubilden und zu treffen, dafür sie gedacht sind. Wenn  der / die LeserIn nun denkt: So ein scheiss Text, damit kann ich ja überhaupt nix anfangen, so spricht er/sie den OrganisatorInnen des Festes in gewisser Weise aus der Seele: Es ist unmöglich, dass eine/r ein Fest organisiert für alle anderen, aus dem einfachen Grund dass eine/r nicht imstande dazu sein kann einer ausgeprägten Vielfalt Herr / Dame zu sein.

In dem Sinn freuen wir uns Euch alle für den 31. August wieder herzlich einzuladen dabei zu sein.

Außerdem wollen wir jede und jeden, die Ideen für die Festgestaltung im Sinne eines Siedlungsfestes haben dazu ermuntern uns ab sofort zu kontaktieren. Ob Bandauftritt, Bastelworkshop, Modelleisenbahn, Kabarett, Seifenwagenrennen, Baumstammwerfen, Fotoausstellung, Seifenblasenpusten,… alles soll erlaubt sein was das Motto trifft: „Ein Fleckerl Wiese für uns alle“  Wir freuen uns schon jetzt und hoffen auf die alljährliche Gunst des Wettergottes bzw der Wettergöttin.

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