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Mädchen an Wilhelminenspital ohne Betäubung behandelt: Prozess in Wien

Prozess nach OP zeigte Defizite an Wiener Wilheminenspital auf
Prozess nach OP zeigte Defizite an Wiener Wilheminenspital auf ©APA
Ein Strafprozess um eine Operation an einer Fünfjährigen hat Behandlungsmängel und infrastrukturelle Defizite an der Kinderabteilung im Wiener Wilhelminenspital aufgezeigt.

Der in diesem Fall zum medizinischen Sachverständigen bestellte Gutachter hat der Station in seiner schriftlichen, mit 11. Dezember 2013 datierten Expertise, die der APA vorliegt, jedenfalls ein vernichtendes Urteil ausgestellt.

Prozess um Behandlung in Wien

Heute, Montag, hätte im Wiener Straflandesgericht der Prozess gegen einen am Wilhelminenspital tätigen Oberarzt fortgesetzt werden sollen. Ihm wurde im Zusammenhang mit einem an einem fünfjährigen Mädchen durchgeführten Eingriff fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Die Verhandlung wurde allerdings kurzfristig abberaumt, nachdem sich der Beschuldigte im Unterschied zu seiner bisherigen Verantwortung unmittelbar vor dem Termin schuldeinsichtig gezeigt hatte.

Damit waren sämtliche Voraussetzungen gegeben, um ein diversionelles Vorgehen zu prüfen. Weder war es in dem Fall zu schweren Folgen gekommen noch lag aufseiten des Mediziners eine sogenannte schwere Schuld vor. In welcher Form die Diversion abgewickelt wird – mit dieser würde der Oberarzt einem Schuldspruch sowie einer Eintragung im Strafregister und allfällig damit verbundener beruflicher bzw. disziplinärer Folgen entgehen -, soll in den kommenden Tagen festgelegt werden.

Mädchen wurde fixiert

Ein junger Turnusarzt, der den Eingriff unmittelbar durchgeführt hatte, war bereits beim ersten Prozesstermin Anfang Mai freigesprochen worden. Ihm wurde zugebilligt, die Abläufe auf der Station nicht gekannt zu haben, zumal er erst wenige Tage zuvor seine Tätigkeit aufgenommen hatte. Er habe sich auf die Einschätzung und die Fachkenntnis des Oberarztes verlassen können bzw. müssen.

Die Fünfjährige war im März 2013 wegen eines Abszesses, der sich nach einem Insektenstich gebildet hatte, im Wilheminenspital behandelt worden. Dass dabei nicht gemäß den medizinischen Standards vorgegangen wurde, machte der zum gerichtlichen Sachverständigen nominierte Gutachter Michael Störck, Facharzt für allgemeine Chirurgie und Gefäßchirurgie, deutlich. Das Mädchen, das man in Bauchlage fixiert hatte, wurde “mit Sicherheit nicht lege artis behandelt”, ist seiner ausführlichen schriftlichen Expertise zu entnehmen.

Mädchen ohne Betäubung behandelt

Nachdem die intravenöser Verabreichung von Antibiotika nichts bewirkt hatte, hatte man sich entschlossen, das Abszess zu öffnen und den Eiter zu entfernen. Dieser Eingriff erfolgte laut Gutachten “ohne Wissen und Einwilligung der alleinerziehungsberechtigten Kindesmutter”. Vor allem aber wurde das Mädchen nicht sediert, obwohl die Behandlung “auch für einen erwachsenen Patienten eine sehr schmerzhafte Prozedur”, für ein fünfjähriges Kind aber “gänzlich unzumutbar” sei, so der Sachverständige.

Bemerkenswert erscheint auch, dass die für das Aufschneiden des Abszesses nötigen medizinischen Instrumente “zusammengesucht” werden mussten, wie Störck wörtlich formuliert. Eine Pinzette wurde laut Gutachter auf der Ambulanz am Flötzersteig beschafft, Skalpelle auf der II. Chirurgischen Abteilung. Fazit des medizinischen Sachverständigen: “Das zeigt, dass auf der Kinderabteilung des Wilhelminenspitals keinerlei Infrastruktur für operative Eingriffe vorhanden ist.”

(APA)

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