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Neuer Drogenkoordinator: Maßnahmenpaket für Praterstern

Lochner: Bei dem Alkoholverbot am Praterstern soll es nicht zu einem Verdrängungseffekt kommen.
Lochner: Bei dem Alkoholverbot am Praterstern soll es nicht zu einem Verdrängungseffekt kommen. ©APA/DANIELA KLEMENCIC
Seit Freitag ist Ewald Lochner der neue Sucht- und Drogenkoordinator für Wien, der gleichzeitig auch die Koordinationsagenden für den Psychatrie-Bereich dazubekommt. Im Interview mit der APA kündigt Lochner Zusatzmaßnahmen am Praterstern an und stellt einen Ausbau der Kinder- und Jugendpsychatrie in Aussicht.
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Das seit zwei Wochen geltende Alkoholverbot am “Stern” sei eine “ordnungspolitische Entscheidung gewesen mit dem Ziel, das subjektive Sicherheitsgefühl zu verbessern”. Dabei soll es aber nicht bleiben. “Wir haben im vergangenen Winter vorgeschlagen, hier Maßnahmen zu treffen. Die Maßnahmen sind fertig geplant. Jetzt geht es darum, die Finanzierung sicherzustellen. Da sind wir in ausgezeichneten Verhandlungen mit der Stadt, sodass dann ein Maßnahmenpaket die Situation am Praterstern nachhaltig verbessern wird”, meinte Lochner.

Es brauche etwa niederschwellige Angebote für eine medizinische Versorgung – eventuell auch an Ort und Stelle. Da viele Menschen gerade am Praterstern auch von Wohnungslosigkeit betroffen seien, brauche es auch Unterstützung bei der Suche nach einem Dach über dem Kopf.

Mögliche Verdrängungseffekte am Praterstern

Ob es durch das Alkoholverbot jetzt schon – wie etwa vom Bezirk kritisiert – Verdrängungseffekte gibt, lasse sich nach so kurzer Zeit noch nicht seriös beantworten: “Momentan laufen engmaschige Monitorings mit der Sozialarbeit und der Polizei. Was man aber sagen kann: Wir haben uns ähnliche Situationen in anderen Ländern angeschaut und wenn ein Alkoholverbot als alleinige Maßnahme gesetzt wird, dann ist es natürlich zu Verdrängungseffekten gekommen. Wir in Wien gehen aber einen anderen Weg.”

Ob es da nicht sinnvoll gewesen wäre, gleich ein Gesamtpaket umzusetzen anstatt wie SPÖ-Chef Michael Ludwig mit einem Verbot vorzupreschen, beantwortet Lochner so: “Viele Wege führen nach Rom.”

Mehr Tageszentren für Alkoholkranke in Wien

Abseits des Pratersterns will man die Versorgung von Alkoholkranken in Wien aber insgesamt verbessern. Einerseits soll es künftig mehr Tageszentren geben, in denen “kontrollierter” Alkoholkonsum erlaubt ist.

Am Praterstern und einigen anderen Standorten existiere das schon, mit dem Fonds Soziales Wien arbeite man derzeit an einer Ausweitung, sagte Lochner: “Der Vorteil dabei ist, dass nicht im öffentlichen Raum getrunken wird. Und wenn es in Einrichtungen selbst ein Verbot gibt, dann gehen die Leute schnell vor die Tür und konsumieren sehr schnell sehr viel Alkohol – mit entsprechenden Auswirkungen. Wir können mit so einer Maßnahme also abfedern, dass es zu Gewalt kommt oder zu unangenehmen Situationen für andere Nutzer des öffentlichen Raums kommt.”

Kooperation zwischen Krankenhäusern und Sozialarbeit

Andererseits soll es verstärkt zu einer zielgerichteten Betreuung von Akutfällen kommen, wie die scheidende Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) bereits kürzlich gegenüber der APA angekündigt hatte. Lochner präzisierte: “Wenn es zu einer Alkoholvergiftung kommt, wird sie meistens in einer Notaufnahme eines städtischen Spitals behandelt. Die Aufgabe der Zentralen Notaufnahme ist es aber nicht, die Menschen dauerhaft zu behandeln. Man kann die Betroffenen auch nicht zwingen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Sinn der Sache wäre eine enge Verzahnung zwischen den Krankenhäusern, der Sozialarbeit und anderen Institutionen, damit sie woanders weiter versorgt werden können.”

Dressel gibt die Funktion des Sucht- und Drogenkoordinators nach 15 Jahren ab, bleibt aber Geschäftsführer der Sucht- und Drogenkoordination und wird sich hauptsächlich um das Projekt “Alkohol. Leben können” kümmern. Dabei geht es um eine umfassende, zwischen den einzelnen Trägern verzahnte Versorgung Alkoholkranker – wobei erstmals Stadt, Wiener Gebietskrankenkasse und Pensionsversicherungsanstalt gemeinsam die Initiative tragen und sich die Kosten teilen. Nach der schon laufenden Pilotphase geht es 2019 in den Regelbetrieb.

Kein Verdrängungseffekt bei “Giftler” vom Karlsplatz

Dressel zog über seine Tätigkeit gegenüber der APA eine positive Bilanz – gerade was den öffentlichen Raum anbelangt. “Wenn ich auf meine Anfangszeit zurückblicke, wie damals die offene Drogenszene in Wien ausgesehen hat, dann ist das 100 und 1. Das Problem ist nur, dass viele schon vergessen haben, wie das damals ausgeschaut hat und von dem heutigen, sehr guten Status ausgehen und dann unzufrieden sind mit den vergleichbar geringen Problemen, die es noch gibt.”

Als Grund für die Verbesserung nannte Dressel, dass es gelungen sei, die Suchtkranken nicht zuletzt durch neue Konzepte, einen Kapazitätsausbau und eine bessere Kooperation mit der Polizei in die Behandlung, Beratung und Betreuung zu bekommen. Und dass bis heute immer wieder zu hören ist, die “Giftler” vom Karlsplatz seien lediglich an andere Orte ausgewichen, wurmt ihn offenbar immer noch: “Es ist nicht richtig, was immer wieder kolportiert wird – nämlich, dass die Drogenszene am Karlsplatz woanders hin verdrängt wurde. Das stimmt nicht. Das ist Geschichtsfälschung, wenn man das behauptet.”

Kinderpsychiatrie wird ausgebaut

Mit der Bestellung von Ewald Lochner wurde zugleich die Koordinatorenfunktion um den Bereich der Psychiatrie erweitert. Die zentrale Planung, Steuerung und Abstimmung habe sich in Sucht- und Drogenfragen sehr bewehrt und soll nun auch in der psychosozialen und psychiatrischen Versorgung Erfolge zeitigen, hieß es. Lochner kündigte ein Mehrangebot bei Ambulanzen und für Kinder und Jugendliche an.

“Wir gehen davon aus, dass wir im ambulanten Bereich mehr anbieten werden und im Rahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie ebenfalls die Ressourcen verstärken werden – vornehmlich bei den ambulanten Strukturen”, stellte Lochner im APA-Interview in Aussicht: “Geplant ist, dass wir in Zukunft innerhalb Wiens zumindest drei stationäre Versorgungszentren für die Kinder- und Jugendpsychiatrie anbieten können und daran angeschlossen jeweils zwei ambulante Einrichtungen.”

Wieviele zusätzliche Plätze das bedeutet und wo sich Standorte befinden werden, wollte der Koordinator noch nicht verraten. Alle Details sollen gemeinsam mit der Stadt und dem Krankenanstaltenverbund präsentiert werden – voraussichtlich schon in den nächsten Tagen.

Demografische Entwicklung der Stadt als besondere Herausforderung

Lochner verwies bei dieser Gelegenheit auf den schon im Jahr 2016 einstimmig im Landtag beschlossenen Antrag, der die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung Wiens in die Wege geleitet hat. Inzwischen sei ein umfassendes Konzept erstellt worden, das es nun umzusetzen gelte, sagte der Koordinator. Hier will er ebenfalls Stadt, WGKK und PVA – nach dem Vorbild von “Alkohol. Leben können” – für eine enge Kooperation gewinnen, um Streitereien über Zuständigkeiten und Kostenübernahmen hintanzuhalten.

Als besondere Herausforderung nannte Lochner die besondere demografische Entwicklung der Stadt: “Wien wird älter und jünger zugleich. Das stellt natürlich die Gesundheitsversorgung vor große Herausforderungen, weil es Strukturen auf- und auszubauen gilt, um den Bedarf beider Zielgruppen abzudecken. Das heißt für die Psychiatrie übersetzt: Es ist davon auszugehen, dass es in Zukunft einen erheblichen Anstieg an Demenzkranken geben wird. Aber auch die Zahl der jüngeren Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, wird zunehmen.”

Lochner rechnet mit vermehrtem Bedarf an Angeboten in Wien

Mit vermehrtem Bedarf sei aber auch über Wiens Gesamtbevölkerung betrachtet zu rechnen – denn: “Wenn unsere Entstigmatisierung funktioniert, dann wird es zu einer erhöhten Inanspruchnahme der Angebote kommen – und das ist gut so. Am meisten würde uns freuen, wenn es zu einer zeitgerechten Inanspruchnahme kommt.” Denn derzeit würden sich viele Betroffene erst spät in Behandlung begeben, betonte Lochner.

Der 46-jährige Wiener, geboren am 16. Jänner 1972, wurde am Freitag von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bestellt. Er ist bereits seit 2007 für die Sucht- und Drogenkoordination tätig und leitete dort von 2010 bis 2015 den Bereich Arbeitspolitische Maßnahmen und soziale (Re-)Integration. Zuletzt war er Prokurist und zudem Kaufmännischer Leiter im Kuratorium Psychosoziale Dienste.

(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)

APA/red

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