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Möglicherweise zu Unrecht verurteilter Bankräuber: Prozess in Wien fortgesetzt

Erneut steht ein als Bankräuber verurteilter Mann vor dem Wiener Landesgericht
Erneut steht ein als Bankräuber verurteilter Mann vor dem Wiener Landesgericht ©VIENNA.at (Sujet)
Im Landesgericht Wien ist am Montag der Prozess gegen einen 51-jährigen Ungarn fortgesetzt worden, der im Jahr 2009 womöglich zu Unrecht als Bankräuber verurteilt wurde. Der Mann, der zehn Jahre Haft ausgefasst hatte, bekam von der Justiz eine Wiederaufnahme seines Verfahrens genehmigt.
Prozess gegen "Bankräuber"

Zur Wiederaufnahme kam es, weil der Verurteilte erhebliche Zweifel an dem an sich längst rechtskräftigen Schuldspruch aufzeigen konnte.

Überfall auf Bank in Leopoldstadt

Tamas S. soll laut Anklage am 16. April 2004 gemeinsam mit einem Landsmann auf spektakuläre Weise die BAWAG-Filiale in der Taborstraße in Wien-Leopoldstadt überfallen haben. Zwei Täter waren zu nächtlicher Stunde über das Kellergeschoß des Nachbargebäudes in das Innere der Bank und in weiterer Folge in den Tresorraum gelangt. Der in Rififi-Manier verübte Coup machte sich mit einer Beute von 190.000 Euro bezahlt.

Knappe Entscheidung gegen Tamas S.

Die Polizei nahm zwei Ungarn als mutmaßliche Täter fest. Die beiden wurden vor Gericht gestellt. Während der eine sich schuldig bekannte und in der Hauptverhandlung keine Angaben zu seinem Komplizen machen wollte, beteuerte Tamas S. seine Schuldlosigkeit. Der wegen Einbruchs, nicht aber wegen Raubes etliche Male vorbestrafte Mann wurde dennoch von den Geschworenen mit 5:3 Stimmen – also dem knappest möglichen Quorum – für schuldig befunden.

Maßgeblich dafür: Am Tatort wurde ein Arbeitshandschuh sichergestellt, auf dem sich seine DNA-Spuren fanden. Im Gefängnis erinnerte sich Tamas S. dann aber im Nachhinein an einen Mann, der ihn entlasten konnte und der nun im neuen Verfahren im Wege einer Videokonferenz mit der Justiz in Budapest vom Wiener Schöffensenat (Vorsitz: Gerald Wagner) als Zeuge unter Wahrheitspflicht vernommen wurde.

Zeuge entlastet “Bankräuber”

Der 46-jährige Mann erklärte, er habe im April 2004 zwei Landsleute nach Wien chauffiert, die vorgaben, dort “Arbeit” gefunden zu haben. Sie hätten einen Werkzeugkoffer dabei gehabt. Ein paar Wochen später habe er einen der beiden wieder in einem Lokal in Budapest getroffen, wo dieser geprahlt hätte, in Wien eine Bank ausgeraubt zu haben. Sein Bekannter sei “sehr illuminiert” und obendrein ein “Angeber” gewesen. Er habe ihm versichert, bei dem Raub “viel Geld” gemacht zu haben, gab der Zeuge zu Protokoll.

Der betreffende Mann sei allerdings nicht Tamas S., sondern jener Mann gewesen, der später in Wien gemeinsam mit diesem verurteilt wurde. Er habe neben diesem aber nicht Tamas S., sondern einen mittlerweile verstorbenen Landsmann nach Wien gebracht. Ihm sei auch der inzwischen Tote als Mittäter am Bankraub genannt worden, was der Zeuge bereits bei einer Einvernahme im Jahr 2013 in Pecz zu Protokoll gegeben hatte.

DNA-Spur irreführend?

Die DNA-Spuren auf dem Handschuh erklärte Nikolaus Rast, der Verteidiger von Tamas S., folgendermaßen: Sein Mandant habe mit einem der beiden Räuber in Budapest immer wieder Wohnungen renoviert. Jener habe die Werkzeugkiste, in der sich auch die Handschuhe von Tamas S. befanden, ohne dessen Wissen zum Bankraub nach Wien mitgenommen.

Erste Zweifel an der Schuld des 51-Jährigen waren eineinhalb Jahre nach seiner Verurteilung aufgekommen, als sein angeblicher Mittäter sich im Gefängnis plötzlich an die Behörden gewandt und erklärt hatte, er habe Tamas S. zu Unrecht als seinen Komplizen genannt. Er habe jetzt “zu Christus gefunden” und könne es mit seinem Glauben nicht mehr vereinbaren, bei dieser Falschaussage zu bleiben.

Neuerliche Vertagung des Verfahrens

Dieser Mann und ein weiterer Zeuge, der bei der Unterhaltung in dem Lokal in Budapest dabei gewesen sein soll, hätten heute ebenfalls via Videokonferenz befragt werden sollen. Die ungarische Justiz dürfte das dahin gehende Rechtshilfeersuchen allerdings “verschlampt” haben – zur Überraschung des Wiener Richters waren die beiden Männer nicht ins Budapester Gericht gebracht worden. Es musste daher neuerlich auf unbestimmte Zeit vertagt werden, was Tamas S., der insgesamt zwölfeinhalb Jahre abzusitzen hat – neben dem Bankraub war er auch wegen Einbruchs verurteilt worden -, mit Unmut zur Kenntnis nahm.

(apa/red)

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