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Davutoglus Rückzug ebnet Weg für Wechsel an Regierungsspitze

Davutoglu verlor Machtkampf gegen Erdogan
Davutoglu verlor Machtkampf gegen Erdogan
Die Türkei steht vor einem Wechsel an der Regierungsspitze: Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat seinen Rückzug als AKP-Vorsitzender angekündigt und damit seine Ablösung als Regierungschef eingeleitet. Er werde beim Parteitag am 22. Mai nicht erneut kandidieren, sagte Davutoglu am Donnerstag in Ankara. Präsident Recep Tayyip Erdogan dürfte seine Führungsrolle in der Türkei weiter ausbauen.


“Ich denke nicht, dass ich unter den derzeitigen Umständen beim kommenden Parteitag als Kandidat antreten werde”, erklärte Davutoglu nach einer Sondersitzung der Parteiführung. Gemäß den Statuten der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) muss der 57-Jährige nach einem Rücktritt als Parteichef auch seinen Posten als Ministerpräsident räumen.

Erdogan, der ohnehin als starker Mann in Regierung und Partei gilt, könnte seine Macht nun weiter festigen, indem er Davutoglu durch einen weniger eigenständigen Nachfolger ersetzt. Als mögliche Kandidaten gelten unter anderem Erdogans Vertrauter Binali Yildirim, der derzeit das Verkehrsministerium leitet, und Energieminister Berat Albayrak, ein Schwiegersohn des Staatspräsidenten.

Der frühere Außenminister Davutoglu hatte vor zwei Jahren das Amt des Ministerpräsidenten und den Vorsitz der AKP von Erdogan übernommen, als dieser ins Präsidentenamt wechselte. In den vergangenen Monaten kam es aber offenbar zu einem Machtkampf zwischen Davutoglu und Erdogan, weil Davutoglu sich zunehmend um die Schärfung des eigenen Profils bemühte.

So trieb der Regierungschef das umstrittene Flüchtlingsabkommen mit der EU entscheidend voran. Er war in dieser Frage auch der wichtigste Ansprechpartner für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Ganz zurückziehen aus der Politik will sich Davutoglu nun aber nicht. Sein Mandat als Abgeordneter im türkischen Parlament will er behalten. Seinen Verzicht auf den Parteivorsitz begründete Davutoglu mit einem mangelnden Rückhalt innerhalb der AKP. Die Partei hatte in der vergangenen Woche gegen den Willen Davutoglus die Befugnisse des Vorsitzenden eingeschränkt, was als Niederlage für den Partei- und Regierungschef gewertet wurde.

Von einem Zerwürfnis zwischen ihm und Erdogan könne aber keine Rede sein, betonte Davutoglu in seiner rund 40-minütigen Erklärung. Er habe sich niemals negativ über den Staatschef geäußert und ihm werde “auch in Zukunft kein schlechtes Wort über die Lippen kommen”, sagte der Regierungschef. Er werde “bis zum letzten Atemzug” loyal sein zu seinem Weggefährten. “Ich erhebe keine Vorwürfe, empfinde keine Wut und hege keinen Groll”, beteuerte Davutoglu.

Sein Rückzug schürt Sorgen vor einem weiteren Machtzuwachs für Erdogan, der die Türkei zu einem Präsidialsystem umbauen will. Die Opposition stemmt sich gegen eine solche Verfassungsänderung, sie wirft Erdogan schon jetzt ein Abgleiten in eine autoritäre Herrschaft vor.

Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu sprach am Donnerstag von einer “Palastrevolution” gegen Davutoglu. Der Staatschef habe sich auf inakzeptable Weise in die Regierungsgeschäfte eingemischt. Der Türkei-Experte Soner Cagaptay vom Washington Institute warf Erdogan vor, er wolle die staatlichen Institutionen “weiter aushöhlen”. Erdogan habe inzwischen so viel Macht auf sich vereint wie niemand vor ihm in der jüngeren Geschichte der türkischen Demokratie.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), äußerte die Befürchtung, dass Erdogan “die demokratische Türkei in einen stärker autoritär durch einen Präsidenten geführten Staat umbauen will”.

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